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8. Leben mit Krisen

Lektion 9

Hallo!

Heute geht es um ein Thema, das nicht nur angenehme Assoziationen zulässt. Es geht um Krisen, also um den Fall, wo wir Resilienz oder unsere Phönixkraft am meisten brauchen.  Krisen sind nichts, was man sich wünscht, da sie mit sehr vielen unangenehmen Gefühlen, mit Entscheidungen und mit Verlust einhergehen. Dennoch passieren sie und wir alle haben im Laufe unseres Lebens mit einer Vielzahl von Krisen zu tun. 

Was ist eine Krise?

 Bei Wikipedia wird Krise definiert als „ein durch ein überraschendes Ereignis oder akutes Geschehen hervorgerufener schmerzhafter seelischer Zustand oder Konflikt innerhalb einer Person (innerpsychische Krise) oder zwischen mehreren beteiligten Personen.”
Krise ist immer schmerzhaft und daher wollen wir auch nicht in eine Krise geraten. Aber dennoch, wir kommen immer wieder in Krisen, wir brauchen auch Krisen. Denn auch eine Geburt ist eine Krise, eine Phase kommt zum Abschluss und es beginnt ein insbesondere für die Mutter schmerzhafter Moment und auch für das Kind ist die Geburt kein Spaziergang. Es wird quasi hinausgeworfen und muss sich einem Engpass stellen, durch den es gehen muss.  

Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie, hatte auf den Engpass insbesondere hingewiesen. Für ihn geschieht wirkliche innere Veränderung, indem ich ganz unterschiedliche Engpässe durchlaufe. Es kommt zu einer Zuspitzung einer Situation - innerlich oder äußerlich - und ich stehe wie mit dem Rücken zur Wand. Irgendwann aber geschieht die Lösung, ich verlasse den Engpss, neue Wege tun sich auf und es kann ein neuer Prozess beginnen.

Beispiel 
Anhand einer Entscheidung kann man das gut deutlich machen. Angenommen, Du willst Dich beruflich neu orientieren. Vielleicht wirst Du zunächst alle Möglichkeiten erkunden, wirst eine erste Auswahl treffen. Und dann stehst Du irgendwann vor verschiedenen Alternativen. Du kannst bei dem Bisherigen bleiben oder Du wählst A oder B aus. Es gibt an dieser Stelle kein Mehr an Informationen, das Dir helfen würde. Du musst Dich lediglich entscheiden. Das ist eine Engpass-Situation, die sehr anstrengend und unangenehm sein kann. Man fragt Freunde, holt sich vielleicht professionelle Hilfe, zieht Streichhölzer, nur um eine Entscheidung herbeizuführen und aus dem Engpass herauszukommen. Das ist eine wirkliche Krise, ein Konflikt, der so einfach nicht zu lösen ist.
Wenn Du Dich dann aber entschieden hast, beispielsweise eine neue Ausbildung zu beginnen, und es fühlt sich richtig für Dich an, dann bekommst Du auch die Belohnung und spürst eine große Erleichterung und Vorfreude. Ein Engpass ist immer auch Stillstand und Lösung ist immer Beginn oder Fortsetzung von Entwicklung. 

Kein Leben ohne Krisen

 Krisen und damit auch Engpässe gehören zu unserer Entwicklung dazu und es gibt kein Leben ohne Krisen. Unser Ziel kann es also nicht sein, krisenfrei zu leben, denn dann würden wir uns nicht mehr entwickeln. Unser Ziel muss es sein, Krisen so gut es geht zu meistern und uns dadurch gut weiter zu entwickeln, ohne zu viel Energieaufwand und das heißt: den Schmerz an und in einer Krise so gering wie möglich zu halten. Aber auch hier gilt: Es gibt keine schmerzfreie Krise.     Grob kann man zwei Arten von Krisen unterscheiden:

situationsbedingte Krisen 
  • Scheidung
  • Krankheit
  • Tod
 
reifungsbedingte Krisen 
  • Pubertät
  • Midlife crisis
  • Rentenalter
 
Die Folge solcher Krisen ist nicht selten, dass Menschen gestärkt daraus hervorgehen und dass sich neue Perspektiven zeigen.  

Man hat in der Psychologie vielfach Krisen erforscht, denn gerade in der Psychotherapie und Beratung hat man es fast ausschließlich mit Krisen zu tun. Da kann es hilfreich sein zu wissen, wie Krisen funktionieren.






Diese Grafik zeigt das Phasenmodell von Prof. Dr. phil. habil. Erika Schuchardt. Wir haben es ausgewählt, weil es besonders detailliert ist und sich auch nicht sukzessive versteht, das heißt, dass man schön der Reihe nach die Phasen durchläuft, sondern dass manches auch parallel geschehen kann. Das entspricht mehr dem, wie wir Leben verstehen, dass sich selten streng an Reihenfolgen hält, sondern immer auch andere Spielarten zulässt.    
Wenn Du auf diese Spirale von oben schauen würdest, dann sähe es aus, als würde man sich im Kreis drehen. Dabei bewegen wir uns immer weiter hinauf und hindurch.
Es beginnt mit einer Phase der Ungewissheit, wo wir nicht recht wissen, was gerade passiert und auf uns zu kommt. Nach und nach setzt sich unsere Erkenntnis durch, dass wir uns in einer schwierigen Situation befinden. Am besten kann man diese Phasen daran deutlich machen, wie sich jemand verhält, der eine schwere Krankheit hat. In der Phase der Gewissheit bekommt jemand also die Diagnose mitgeteilt. Für viele folgt eine Zeit des Aufbegehrens (Aggression) und der Verhandlung mit dem Schicksal, Gott oder mit wem auch immer. Es wird versucht, mit aller Kraft und durch Zugeständnisse Einfluss zu nehmen. Wenn das nicht glückt, setzt sich Depression durch und damit Traurigkeit, Weinen, Enttäuschung. Nach dieser Phase besteht die Möglichkeit, das eigene Schicksal anzunehmen und aktiv zu gestalten (Aktivität). Und eine Frucht daraus kann sein, dass man sich um andere kümmert, denen es ähnlich geht und eine ähnliche Krankheit haben (Solidarität).

Anwendung 
Nimm Dir einen Augenblick Zeit und versuche einmal, eine Krise in Deinem Leben herzunehmen und zu schauen, welche Phasen Du aus eigenem Erleben wiedererkennst. So wird ein solches Modell erst plastisch und hilfreich. Apropos hilfreich:

Wofür ist es gut, ein solches Modell zu kennen?
Es kann Dir helfen zu verstehen, was Du gerade durchmachst und was auf Dich wartet, und auch, dass es ein Ende gibt, wenn Du es gerade auch kaum glauben magst. Und solltest du den Eindruck haben, nicht weiter zu kommen, so kann Dir das Modell zeigen, an welcher Stelle Du hängst und welche Aufgabe jetzt zu tun ist, damit Du weiterkommst. Vielleicht bist Du in Deiner Traurigkeit verfangen und kannst Dich kaum beruhigen. Wenn das sehr lange anhält, dann kann es sein, dass es Dir gerade nicht gelingt, die Situation zu akzeptieren, zumindest für den Augenblick. Es gehört aber dazu, das Unveränderliche irgendwann zu akzeptieren. Niemand kann Dir vorschreiben, wann Du das tun solltest, es ist deine Entscheidung. Aber wenn Du selber nicht mehr länger in Traurigkeit und Depression versinken möchtest, so solltest Du Dich auf den Weg machen zu akzeptieren, wie sich Dein Leben gerade darstellt. Dann erst kann es für Dich weitergehen.  

Dass das nicht immer leicht ist, ist uns allen sicherlich klar. Aber es gehört zur großen Lebenskunst, irgendwann das zu akzeptieren, was sich nicht verändern lässt. Vielleicht nimmst Du Dir in den nächsten Tagen etwas Zeit, darüber einmal in Ruhe nachzudenken und zu überlegen, wogegen Du immer wieder angehst und Dir eigentlich eingestehen musst, dass es sich nicht verändern lässt. Keine ganz leichte Aufgabe, aber es kann der entscheidende Schritt sein, der Dich weiterführt.

Wir wünschen Dir eine gute Zeit!  

Bruder David
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