10. Selbstmitgefühl
Lektion 11
Negative Gefühle
Gehen wir der Reihe nach vor.Was passiert in uns, wenn wir mit negativen Gefühlen konfrontiert werden? Nun, sagen wir einmal, Du bist wütend auf einen Freund/eine Freundin. Wenn man wütend ist, dann ist man es oft ganz und gar. Wir sagen ja auch nicht „Ich habe eine Wut.”, sondern „Ich bin wütend.” Eine Wut haben ist etwas anderes als wütend sein. Wenn ich wütend bin, dann ist das eine Art Selbstdefinition. Wenn ich Wut habe, dann kann ich daneben auch noch anderes haben, wie Freude, Liebe oder Ähnliches. Doch wenn ich wütend bin, dann ist das eine Gleichsetzung Ich = Wut.Aber es geht noch weiter. Viele von uns haben in ihrem Leben gelernt, Wut nicht zu mögen und daher abzulehnen. Wenn wir dann dennoch wütend werden, was sich meistens nicht vermeiden lässt, dann schämen wir uns dafür, wollen unsere Wut unterdrücken, werden statt dessen vielleicht traurig, verlassen den Raum oder was auch immer uns einfällt, unsere Wut wegzubekommen.Aber auch dieser Zustand ist für uns dadurch nicht angenehm, das heißt, dass wir erst die Wut haben, die wir nicht wollen, und dann ein darauf folgendes Gefühl, mit dem wir uns auch nicht gut fühlen. Das hört sich nicht nur nach einem großen Schlamassel an, das ist es auch.Negative Gefühle als treue Begleiter
Aber wenn wir ehrlich sind, dann geht es uns sehr oft so, oder? Sei es Angst, die wir nicht wollen, Traurigkeit, Zorn - es gibt kaum ein Gefühl, dass es leicht bei uns hat. Dadurch aber, dass wir sie ablehnen, werden sie nicht schwächer. Ganz im Gegenteil, gerade dann beginnen sie uns zu beherrschen. Alles, was wir ablehnen, hat die Tendenz, Macht in uns zu entwickeln.Und nicht nur das. Überlege einmal, wieviel Energie wir damit verbringen, diese Gefühle abzulehnen und zu unterdrücken? Wie viele Tage und Stunden vergeuden wir in dem Bemühen, etwas nicht fühlen zu wollen? Wie viele Krankheiten beruhen darauf, dass wir Gefühle nicht wahrhaben wollen, geschweige denn liebhaben? Wie viele Therapien werden absolviert nur, damit ich endlich bereit bin, meine Gefühle zu fühlen und keine Angst mehr vor ihnen zu haben? Es ist zu vermuten, dass 80% unserer Probleme genau damit zu tun haben. Und nun möchten wir Dir eine Art Gedicht mitgeben. Es stammt von dem islamischen Mystiker Rumi:Das Gasthaus
Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus.Jeden Morgen ein neuer Gast.Freude, Depression und Niedertracht – auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommt als unverhoffter Besucher. Begrüße und bewirte sie alle! Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist, die gewaltsam Dein Haus seiner Möbel entledigt. Selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll, vielleicht reinigt er Dich ja für neue Wonnen. Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit - begegne ihnen lachend an der Tür und lade sie zu dir ein. Sei dankbar für jeden, der kommt, denn alle sind zu Deiner Führung geschickt worden aus einer anderen Welt.
(Rumi)
Wie kann man dahin kommen?
Mit einem Appell, einfach alle Gefühle zuzulassen, ist es nicht getan. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber wie soll man das machen? Wir möchten Dir hier einen Weg vorstellen, der es jedem ermöglicht, sich in diese Richtung hin zu entwickeln. Ja, es ist ein Weg, es geht nicht von heute auf morgen. Es wird vermutlich auch so sein, dass es Dir nicht gleich und nicht immer gelingt. Aber es ist ein Weg, der es Dir auf alle Fälle ermöglicht, Frieden mit Dir selbst zu schließen.Jetzt aber konkret, was kannst Du machen, damit Du anders mit Deinen Emotionen umgehst? Wir schlagen Dir hier fünf Schritte vor, die Du üben kannst. Sie helfen Dir, Dich mit negativen Gefühlen und Affekten zu arrangieren und später Freundschaft damit zu schließen. Gehen wir nochmals davon aus, dass Du wütend auf einen Freund/eine Freundin bist, so wie wir es weiter oben schon beschrieben haben. Und gehen wir weiter davon aus, dass Wut nicht zu Deinen Lieblingsgefühlen zählt, sondern ganz im Gegenteil, dass Du gelernt hast Wut nicht zu zeigen.Folge diesem Weg:
1. Abstand schaffen Gerade am Anfang ist es wichtig, dass Du Dir Abstand schaffst - räumlich und ggf. auch zeitlich. Für den Beginn ist es nur sehr schwer möglich, in der akuten Situation die eigenen Gefühle zu akzeptieren. Dafür ist es gut, den Raum zu verlassen und vielleicht auch ein wenig Zeit verstreichen zu lassen, bist Deine Wut etwas abgeklungen ist. Nimm Dir am Anfang nicht zu viel vor und versuche, Vorwürfe, die Du dir machst wegen Deiner Wut, im Zaum zu halten. Selbstmitgefühl heißt deshalb auch so, weil wir mitfühlend mit uns selbst umgehen wollen und nicht verurteilend oder beschimpfend.2. Ruhig werden
Manchmal reicht es nicht, nur zeitlichen und räumlichen Abstand zu schaffen. Es braucht auch noch etwas, das Dich beruhigt. Vielleicht kennst du dazu schon einige Übungen, aber gerne schlagen wir Dir hier noch eine vor. Der Bodyscan ist eine sehr wirksame Meditation, um ruhiger zu werden.
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Weitere Informationen3. auf den Atem achten
Nun bitten wir Dich, zunächst eine Zeit lang (drei bis vier Minuten) ganz auf Deinen Atem zu achten. Es ist wichtig, dass Du diesen Schritt lernst und übst. Denn der Atem wird die Ausgangsbasis Deiner Übung sein, zu der Du immer wieder zurückkehrst. Spüre also nach, wie die Luft durch Deine Nase in Deinen Körper kommt, wie sie durch die Luftröhre in die Lungen gerät. Spüre nach, wie sich Deine Bauchdecke beim Atmen hebt und senkt, wie sich auch andere Stellen deines Körpers ein wenig beim Atmen verändern. Und dann spüre nach, wie die Luft den umgekehrten Weg nimmt.
4. Gefühle wahrnehmen, benennen, gehen lassen
Nun wirst Du recht ruhig liegen oder sitzen und es wird Zeit, dass Du Dich auf deine Gefühle konzentrierst. Nimm also jetzt wahr, was Du alles fühlst, und benenne es, solange es da ist. Zum Beispiel so: Wut, Wut, Wut, Wut, Müdigkeit, Müdigkeit, Müdigkeit usw. Du wirst merken, wenn Du Dir erlaubst, auf diese Art Deine Gefühle wahrzunehmen und zu benennen, dann werden sie erstens nicht so stark und zweitens verschwinden sie wieder und treten in den Hintergrund. Das allein bringt schon Entlastung.
5. Nach einer Zeit kannst Du diese Übung beenden
Wenn Du diese Schritte mehrfach durchlaufen hast und etwas Übung darin hast, dann wird es Dir gelingen, auch zwischendurch am Tag einfach mal nachzuspüren, wer gerade in Deinem „Gasthaus” zu Gast ist. Du nimmst jedes Gefühl wahr, benennst es und kannst Dich danach zu den anderen Gefühlen zuwenden. Werde so zu einem guten Gastgeber Deiner Gefühle und gewöhne Dich an den Gedanken, dass Du der Gastgeber bist und damit das Heft in der Hand behältst.Im Übrigen kann Dich auf diesem Weg alles unterstützen, was Dein Mitgefühl für Dich stärkt. Ein paar Vorschläge noch:
1.Gehe einmal in Gedanken Deinen Tag durch: Gibt es etwas, was Du gerne anders haben möchtest? Gestalte Deinen Tag soweit es geht so, dass Du Dich damit wohlfühlst.
2.Überlege Dir ein Mantra, das Dich unterstützt und Entspannung in Deinen Tag bringt.
3.Mache möglichst viele schöne Dinge, die Dich erfreuen.
4.Schau mal wieder eine richtig lustige Komödie, wo Du herzhaft lachen kannst.
5.Mache Dir eine Liste mit Musikstücken, die Deine Stimmung heben.
6.Kümmere Dich um Dein „inneres Kind”.
Wir wünschen Dir eine gute Zeit!
Bruder David