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10 Menschen, die mich in meinem Leben inspiriert haben
Ich halte Inspiration für die einzige mögliche Art der Weiterbildung und der Förderung eines Menschen. Warum? Weil ich glaube, dass innere Veränderung nicht durch ein äußeres Ereignis geschieht, sondern ein äußeres Ereignis setzt innere Suchprozesse in Gang und daraus ergibt sich ein vielleicht neues Verhalten.
Der “Nürnberger Trichter”, der davon ausgeht, dass man Wissen in einen Menschen hineinschaufeln muss, ist ein Irrtum. Zwar kann man natürlich einiges an Fakten aufnehmen und abspeichern. Das allein ist aber noch kein Lernen - Lernen ist immer eine Verhaltensänderung, sagte mein Pädagogiklehrer vor über 30 Jahren.
Damit aber kommt Inspiration zum Zuge, denn dabei werden Gedanken aufgenommen, die neue, eigene Gedanken evozieren und es entsteht bestenfalls eine Linie von weiteren Gedanken, Ideen und Einsichten, die zu einer neuen Haltung führen und damit letztlich zu neuem Verhalten.
Zugleich kommt dem Lernenden als Subjekt eine entscheidende Rolle zu. Aber das wissen wir ja alle: Wer nicht lernen will, wird es auch nicht. Man kann niemanden zwingen zu lernen.
Der Mensch ist frei zu lernen oder es zu lassen.
Wer sich das auf der Zunge zergehen lässt, der wird erkennen, dass alles Lernen immer nur Inspiration ist, immer nur eine Einladung zum Lernen. Mehr ist ohnehin nicht möglich.
So verhält es sich auch mit spirituellem Lernen. Auch hier bleibt das Subjekt frei und hat seine eigene Verantwortung, ob es lernt und was es wirklich lernt.
Wir brauchen Impulsgeber, Menschen, die Inspirieren, die neue Gedanken in die Welt setzen, die Ungewöhnliches aussagen, die dabei authentisch wirken und dadurch überzeugen.
Ich lasse mich gerne inspirieren - viel lieber als mich belehren zu lassen - vor allem, wenn es um den Glauben und um Spiritualität geht. Leider hat die Kirche das noch nicht ganz verstanden und bleibt dabei, Menschen zu belehren. Sie hat Probleme mit der Freiheit des Subjekts - aber das ist ein anderes Thema und soll in einem anderen Artikel angegangen werden.
Bleiben wir bei spiritueller Inspiration.
Ich möchte hier einmal zehn Menschen vorstellen, die mich inspiriert haben und mich teilweise immer noch inspirieren. Diesen Menschen habe ich viel zu verdanken und einen Teil von ihnen trage ich in mir. Ihre Impulse habe ich dankbar aufgenommen und für mich weiterentwickelt. Mit ihnen fühle ich mich verbunden.
Ernesto Cardenal
Das Letzte, das ich von Ernesto Cardenal gehört habe und was mich sehr beeindruckte, war ein Interview. Dort wurde er gefragt, ob es ihm nichts ausgemacht habe, dass er des Priesteramtes enthoben wurde. Damals war er Kulturminister in Nicaragua und Papst Johannes Paul II hat ihm das sehr übel genommen.
Ernesto Cardenal antwortete sinngemäß: Nein, das hat mir nichts ausgemacht. Ich war und bin vor allem Mönch und das bin ich auch geblieben. Ich bin versöhnt mit der Kirche. Das Priestertum ist mir daher nicht so wichtig gewesen wie das Mönchsein.
Ernesto Cardenal war Novize bei Thomas Merton, hat dann aber das Kloster verlassen. Während seines Noviziates hat er das “Buch über die Liebe” geschrieben. Darin sind ganz wunderbare kleine Texte gesammelt, die voller Gottesliebe und Hingabe sind. Ich lese immer mal wieder darin und bin dann stets sehr angerührt. Ich spüre: Hier ist ein Mensch, der wirklich Mönch ist, der diese Art des Weltverständnisses hat, das ohne Verurteilung auskommt, sondern in allem den Wink Gottes sieht, die große Sehnsucht des Menschen nach dem Ankommen in Gott.
Henri Nouwen
Er ist der einzige klassische christliche Theologe in meiner Sammlung. Ich habe in den ersten Jahren meines Ordenslebens seine Bücher nicht verschlungen, wie man üblicherweise schreiben würde. Ich habe sie als Delikatesse genossen. Ich konnte seine Jesus-Freundschaft spüren, sein Ringen um seinen Weg und sein Bemühen, den Glauben heute neu zu sehen und zu erklären.
Das Buch: “Ich hörte auf die Stille”, in dem er berichtet, wie er neun Monate in einem Trappistenkloster gelebt hat, haben mich ins Kloster geführt und in mir das mönchische Feuer entzündet, das seither nicht verloschen ist. Danke!
Mönch zu werden und zu sein gehört zu den großen Geschenken in meinem Leben.
Mein Vater
Wer hat es schon leicht mit dem eigenen Vater?! Ich auch nicht und es gibt viel, was es noch zu sagen gäbe. Wenn man älter wird, wird man gnädiger - ich auch… ich meine es zumindest feststellen zu können. Und heute kann ich sehen und erkennen, wie viel ich von ihm übernommen habe und dazu gerne stehe.
Seine Treue für die Familie und sein Einsatz, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben für die Allgemeinheit zu leisten, das habe ich von ihm. Und es kommt nicht selten vor, dass ich an ihn denke, wenn ich Gleichheit in dieser Hinsicht zwischen uns feststelle und mich ihm dann sehr nah und mit ihm sehr ähnlich fühle.
Julius Kuhl
Diesen Mann wirst Du vermutlich nicht kennen. Er ist ein emeritierter Psychologieprofessor, der eine eigene integrative Persönlichkeitspsychologie entwickelt hat. Durch ihn war es mir möglich, viele Puzzleteile, die ich bisher miteinander nicht vereinbaren konnte, nun ins eins denken zu können.
Seine Theorie über die Art und Weise innerer Prozesse prägt mein Denken und lässt mich vieles deutlich besser verstehen. Kein anderer Psychologe oder Wissenschaftler hat mein Denken derart geprägt.
Jetzt habe ich eine Ahnung, was das Selbst ist und wie ich immer wieder dorthin zurückfinde. Ich weiß, dass negative Gedanken mich von mir selber entfremden und dass Meditation ein hervorragendes Mittel zur Selbstentwicklung ist.
Maja Storch
Noch eine Wissenschaftlerin, die in eine ähnliche Richtung wie Julius Kuhl forscht und immer wieder ganz praktische Tools entwickelt. Sie macht so schwere Themen wie das Unbewusste und Tiefenpsychologie leicht und handhabbar. Ihre Methodik ist so genial einfach wie hilfreich. Als ich ihre Bücher erstmals las, war ich fasziniert und spürte, dass hier jemand etwas ganz neu verstanden hat.
Sie zeigt Wege auf, wie wir mit unserem Unbewussten unsere Ziele erreichen, wie man sich mit dem “inneren Schweinehund” versöhnt und ihn nutzt und wie man Schritt für Schritt sich weiterentwickelt. Und das alles noch mit einem wunderbaren Humor. Wer die Möglichkeit hat einen Ihrer Vorträge zu hören - es lohnt sich wirklich!
Karlfried Graf Dürckheim
Er ist schon lange tot und inzwischen wegen seiner NS-Vergangenheit, wie so viele aus der Zeit (siehe Martin Heidegger), in Verruf geraten. Er hat die Initiatische Therapie entwickelt, die östliches und westliches Wissen in eins bringt. Er war während des Krieges jahrelang in Japan und hat dort den Zen-Buddhismus studiert - er selbst ist Psychologe. Beides hat er dann in Rütte im Schwarzwald zur Initiatischen Therapie verbunden. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Grundneurose des Menschen sein mangelnder Bezug zur Transzendenz und zu seinen spirituellen Wurzeln ist.
Ich verdanke diesem Mann viel: viele Stunden Aquarell-Malen in der Gruppe in Münster, viele Stunden Meditation, Bogenschießen, Bücher, die mich ganz tief berührt haben.
Wenn es das nicht gegeben hätte, wäre ich ein ganz anderer Mensch geworden.
Bert Hellinger
Er ist umstritten - seine Aufstellungsarbeit wird als manipulativ und alttestamentlich bezeichnet. Seit vielen Jahren ist er für einen großen Teil der Öffentlichkeit von der Bildfläche verschwunden.
Seine Bücher und die Videos von seinen Aufstellungen gehören zu den für mich umwälzendsten Erfahrungen. Bei ihm habe ich gelernt, was es heißt sich zu verneigen, was Demut ist, was es heißt, mit dem Leben zu gehen und dem Tod einen Platz im Leben zu geben.
Durch seine Arbeit habe ich nicht nur eine Sprache für bestimmte für mich bis dato unaussprechliche Erfahrungen bekommen, ich habe auch gespürt, wie es sich anfühlt, mit dem Leben verbunden zu sein.
Ich könnte noch viel aufzählen, was ich alles von ihm lernte.
Valentin Tomberg
Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich von Valentin Tomberg gelernt habe. Er war vor dem zweiten Weltkrieg Teil der anthroposophischen Bewegung, hat sich dann davon gelöst, ist katholisch geworden, hat aber vieles vom theosophischen Wissen mitgenommen. Seine Bücher mit dem Titel “Lazarus komm heraus!” (Sammlung von Aufsätzen) und sein großes Werk “Die großen Arkana des Tarot” sind wahre Schätze - die ich aber oft nicht verstehe. Aber die Begegnung mit ihm eröffnet in mir ein tiefes Wissen und eine tiefe Ahnung von Zusammenhängen, die ich sonst nicht für möglich gehalten hätte.
Byron Katie
Sie ist eine sehr bekannte amerikanische Lehrerin und Meisterin. Ihr Leben war einst reines Chaos, Alkohol spielte eine Rolle und man kann nicht sagen, dass sie eine liebenswerte Person war. Eines Tages hatte sie einen Zusammenbruch und als sie so da lag, hat sie sich eine ganz wichtige Frage gestellt: Ist das, was Du feststellst wirklich wahr? Sie hat angefangen ihrem Geist nicht mehr einfach zu glauben, zu hinterfragen. Ist es wirklich wahr, kann ich ganz sicher sein, dass die anderen mich nicht mögen? Kann ich sicher sein, dass der Alkohol mir gut tut? Bin ich absolut sicher, dass ich weiß, warum mein Gegenüber dies oder das getan hat?
Und weitere Fragen schlossen sich an:
Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
Wer wärst du ohne den Gedanken?
Damit war das geboren, was heute The Work genannt wird. Es ist eine kognitive Umorganisation. Die Fragen können wirklich helfen. Mir haben sie schon oft geholfen und Byron Katie ist ein Beispiel von Liebe und Offenherzigkeit.
Erika Lorenz
Sie war in Hamburg Professorin für Romanistik in der Zeit der Studentenunruhen. Sie war selber auf der Suche, nahm an einem Kurs in transzendentaler Meditation teil. Bis sie eines Tages auf Theresa von Avila stieß. Viele Bücher hat sie über diese Mystikerin geschrieben. Man spürt darin, dass Erika Lorenz selbst viel von dem miterlebt hat, was Theresa von Avila beschreibt.
Die Bücher sind mir noch heute kostbar und Erika Lorenz, nun schon lange tot, sie ist spürbar zwischen den Zeilen. Eine wahrhaft suchende Frau!
Vielleicht fallen mir morgen noch andere Namen ein, vielleicht sogar Namen von Menschen, die mich noch mehr inspiriert haben. Heute aber ist es so.
Ich hoffe, dass in Zukunft noch weitere Namen hinzukommen.
Mir bleibt jetzt: Vor all diesen Menschen kann ich mich verneigen und sagen:
Danke!
Ich will das, was Ihr mir gegeben habt, nutzen und weitergeben.
Wie toll! Danke für die spannenden Ausführungen!
Gerne! 🙂 Bruder David
Lieber Bruder David,
vielen Dank für diesen offenen und sehr INSPIRIERENDEN Text, der mich anregt, an diejenigen zu denken, von denen ich lernen durfte, bzw. die für mich „Wegweiser“ waren. Sehr angerührt hat mich, dass Sie an erster Stelle Ernesto Cardenal erwähnen, denn auch für mich waren Texte von ihm er-leuchtend. Jetzt versuche ich gerade die ausgeliehenen Bände wieder zu erlangen.
Vielen Dank – Ernesto Cardenal ist für mich ein wirkliches Vorbild! Gruß, Bruder David
Danke, Bruder David, für die Anregung. Ich habe unwillkürlich, wie sicher auch andere, an Menschen gedacht, die mein Leben mit prägten. Drei der Beschriebenen, wie Graf Dürkheim, Ernesto Cardenal und Erika Lorenz sind mir auch wert. Doch ich spüre, dass da noch einiges mehr, aus meinem Umfeld auch, sind – und waren! Der Spur will ich gerne folgen! Danke und alles Gute weiterhin.
Ine
Vielen Dank! 🙂 Bruder David
Danke sehr für die Inspiration durch diesen Beitrag – besonders schön finde ich auch die Nennung des Vaters!
Ich lese gerade die Bücher aus dem Blog-Beitrag Die zehn Bücher meines Lebens, das Buch Weg zur Mitte von Graf Dürckheim habe ich kürzlich ausgelesen. Ich werde es nochmal lesen, es war so viel Neues für mich, beim ersten Lesen konnte ich das noch gar nicht so richtig verarbeiten. Anfangs im ersten Kapitel kam er so „perfekt“ herüber, dass ich erst einmal diverse Artikel über seine Rolle in der NS-Zeit gelesen habe. Nicht, um zu verurteilen, sondern dadurch wurde er nahbarer für mich, in dem Sinne, dass er genau wie die meisten Menschen einen Bruch im Leben hatte. Eine ganze Generation musste mit der mehr oder weniger großen eigenen Schuld zurechtkommen, und wer weiß, wie ich mich verhalten hätte, wenn ich damals gelebt hätte.
Die zehn Bücher suchen sich ihre eigene Reihenfolge, und ich wollte als nächstes Henri Nouwens „Ich hörte die Stille“ lesen – das passt doch schön zum obigen Beitrag.
Danke sehr!