panta rhei ist ein derzeit vielzitiertes Wort unserer Kultur. Dieser Ausspruch kommt aus dem altgriechischen πάντα ῥεῖ und bedeutet übersetzt: ‚alles fließt‘: Es wir dem Philosophen Heraklit (* um 520 v. Chr.; † um 460 v. Chr.) zugeschrieben, der damit ausdrücken wollte, dass die Welt immer im Wandel ist. Man kann eben – so ein anderes Wort aus der Sammlung der Vorsokratiker – nicht „zweimal in denselben Fluss“ steigen. 

Was bedeutet das?

Menschlich geistiges Bestreben versucht ununterbrochen, unsere unterschiedliche und sich wandelnde Welt in eine Einheit zu denken. Das sind Konzepte, die unseren Seelen Stabilität und auch Dauer signalisieren. Insofern sind sie eine urmenschliche Sehnsucht. Im Grunde sind wir unser ganzes Leben auf der Suche nach Geborgenheit, Dauer, Beständigkeit, Heimat und Ankommen. 

Wir wollen die Welt statisch sehen, damit wir sie erfassen können, wir wünschen zutiefst, dass die Zeit einfach einmal stehen bleibt und wir dann in diesem Zwischenraum in aller Ruhe alles genau erfassen, kartographieren und verstehen können. Aussteigen aus dem Stress, den aller Wandel immer wieder erzeugt und: - endlich einmal zur Ruhe kommen. Das gilt für die Wissenschaft des Großen und der Weltzusammenhänge, das wünschen wir aber auch für unser persönliches Leben.

Dabei ahnen wir, dass wir das irgendwann erreichen werden, dass alles verschwiegen ist, alle Fragen, alles Suchen verstummt. Dann aber bleibt das Herz, diese uns immer antreibende Feder des Lebens stehen, und wir finden uns im Tod wieder. Der Zustand absoluter Ruhe, das Verenden aller Entwicklung ist nichts anderes als Sterben. Totenstarre. Wäre das die Alternative? Wohl nicht wirklich.

Wenn nun aber alles sich verändert, wenn alles immer und permanent im Fluss ist, dann könnten wir das auch als so etwas wie ein „Bleiben im Wandel“ verstehen. Das Sensorium für diese Erkenntnis ist allerdings nicht Messen und Erfassen, Festhalten und Dokumentieren, sondern hier sind andere Qualitäten zu entwickeln. Es ist einfach nur absurd, in einen Fluss zu steigen und zu versuchen, das Wasser festzuhalten. 

Vielmehr braucht es Wahrnehmungsinstrumente, die es ermöglichen, den Strom des Wassers, den Widerstand, den wir beim Eintauchen erzeugen oder die Geschwindigkeit des Vorbeifließens zu erfassen. Die Wissenschaft kann das über die Ebene einer Vektormathematik beschreiben und abstrakt in Zahlen darstellen. 

Aber: Unsere menschliche Seele kann diese Zusammenhänge ebenfalls erfassen. Sie muss dazu sozusagen in einen anderen Aggregatzustand übergehen: Wer vom Modus des Machens und Habens in den Modus des Seins wechselt, der spürt den Fluss, das Fließen des Wassers auf der Haut, ohne das Bestreben dieses Gefühl halten zu müssen. Auf diese Weise können wir auch unsere Welt mit all ihren Wechselspielen wahrnehmen. Wenn wir es wagen, die Angst und dieses unsägliche Habenmüssen, loszulassen, dann könnten wir in einer neuen Freiheit auch die immerwährende Bewegung der Welt spüren, genießen und gutheißen. Wir würden eintauchen in das Geheimnis des Lebens. Wir könnten das Gefühl des Getrenntseins aufgeben und ahnen, dass wir immer mit allem verbunden sind. 

Man könnte bei diesen Gedanken auch von der Liebe sprechen, die alles zusammenhält, die alle Grenzen überwindet und alles in allem ist. 

Darum ist es für uns Mönche so wichtig, immer wieder in den Fluss unseres Chorgebetes zu steigen. Jede Hore ist anders, weil wir und die Welt immer verändert sind, aber es ist das immer gleiche Wasser der Psalmen, der Strom des Gesanges, der sich um uns breitet. In diesen singenden Meditationen – im Osten nennt man das Mantren – spüren wir, dass wir im Strom eines fließenden Daseins stehen und Halt haben.

Dabei können sich die Gefühle des „Es ist immer alles anders“ und die des „In diesem monotonen Singen komme ich an“ miteinander verbinden. Gebet ist dann nicht aufregend, nicht stressend, es ist keine Leistung, sondern mehr oder weniger „Sein im All-Ein, Ruhen in Gott“.

Mir kamen diese Gedanken, weil ich über das Wort „Streaming“ nachgedacht habe und Ihnen – liebe Leserin, lieber Leser – ein neues Projekt der Cella St. Benedikt in Hannover nahebringen möchte. Nach dem Provisorium, das wir nach der Pandemie wieder eingestellt hatten, werden wir einen eigenen Livestream unseres Chorgebetes im Internet anbieten. Die Brüder aus der Abtei unterstützen uns hier, weil es ja dort diesen Livestream schon lange gibt. Wir möchten Menschen, die uns hier in Hannover verbunden sind, die Möglichkeit eröffnen, trotz räumlicher Distanz über das moderne Medium Internet verbunden zu sein. 

Vielleicht magst auch du gemeinsam mit uns eintauchen in den Strom, den Stream der Psalmengesänge. Gemeinsames Gebet ist auf diese Weise möglich, indem wir uns zusammenschließen. 

Wir erbitten für dieses Projekt ihre Unterstützung und danken schon jetzt für jede Zuwendung. Vielleicht dürfen wir dich ja ab dem 1. Advent bei uns in der Hauskirche der Cella Sankt Benedikt begrüßen?
Herzlich willkommen!

Bruder Abraham Fischer OSB

David Damberg


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