Die List, der Stadtteil, in dem unsere kleine Cella liegt, gehört zu den dicht besiedelten Stadtteilen in Hannover. Wenn ich in den Tagen vor Ostern durch unseren Stadtteil spazieren gegangen bin, waren die Straßen voll. Auch die Waldwege in der Eilenriede, dem Stadtwald in unserer Nähe, sind reich frequentiert. Dass man Menschen begegnet, dass man Menschen nahe kommt  – lässt sich auch beim besten Willen nicht verhindern. Spätestens beim Überqueren einer Ampel, aber auch schon auf Wanderwegen lässt sich der Mindestabstand von zwei Metern nicht immer einhalten. Interessant fand ich vor allen Dingen, wie die einzelnen Menschen mit dieser Situation umgegangen sind: Da gab es die mit Gesichtsschutz fast vermummten Menschen, die mich mit ihrer Gestik und Körperhaltung bereits Meter vorher aufmerksam machten, dass ich ihnen nur ja nicht zu nahe komme, und auch eine kleine Gruppe vergleichsweise Unsensibler, die noch nie etwas von Corona gehört zu haben schien.

Liebevolle Achtsamkeit

Bei den meisten Menschen beobachtete ich eine eher liebevolle Achtsamkeit: an der breiten Stelle des Weges kurz stehenzubleiben, damit sich genau dort die Wege kreuzen, mich vor oder vorbei zu lassen und mit freundlichem Blick den gegenseitigen Abstand zu ermöglichen.

In der ganzen Osterwoche beginnen wir unser Morgengebet mit der Antiphon: „Fürchtet Euch nicht: Ihr suchet Jesus von Nazareth….“ Es ist ein Wort an die ersten Zeuginnen der Auferstehung und steht in den Evangelien von Matthäus und Markus. An diesem Wort bin ich in den letzten Tagen besonders hängen geblieben. Wie kann man angemessen mit einer Pandemie umgehen und gleichzeitig aus dieser tiefst zutiefst österlichen Botschaft des „Fürchtet Euch nicht“ leben? Welches Verhalten ist noch angemessene Vorsorge – und wo beginnt die Panik, die keine sinnvolle Einschätzung der Situation mehr ist und körperlich eher wie Angststörung wirkt.

Angst verengt den Blick

Die österliche Hoffnung  – das „Fürchte Dich nicht“ beginnt für mich im eigenen Körper. Körper und Geist, Gedanken und Gefühle sind nicht voneinander zu trennen. Um das Leben zu retten, musste man früher fliehen, kämpfen oder sich tot stellen. Und so reagiert der Körper heute noch immer. Der Blutfluss wird umverteilt und alle Funktionen, die im Augenblick nicht lebensnotwendig sind, werden gehemmt. Auch höhere Hirnfunktionen werden vermeintlich nicht gebraucht und abgeschaltet, es entsteht ein Tunnelblick. Je bedrohlicher und stressiger eine Situation erlebt wird, umso weniger sind wir Menschen zu intelligenten, kreativen oder ethischen Lösungen in der Lage.

Etwas Zweites ist mir aufgefallen bei den Evangelien: Ihre Augen waren gehalten, sie erkannte ihn nicht. Sowohl von den Emmaus-Jüngern als auch von Maria Magdalena wird berichtet, dass sie ganz offensichtlich einen solchen „Tunnelblick“ hatten. Gesehen und doch nicht erkannt haben.

Wenn die Augen aufgehen und sich der Blick weitet

Kann man sich einüben, wieder freier und weiter zu blicken? Ich glaube, ja! Gerade das Augentraining kennt unterschiedlichste Übungen, mit den Augen alle Möglichkeiten der Blickrichtung auszunutzen. Ich übe das gerne für meine Augen: wenige Sekunden ganz nach oben, danach ganz nach links, dann ganz nach unten und ganz nach rechts zu schauen, dann im Wechsel sehr nah und sehr weit.

Und manchmal, wenn ich durch unseren Stadtteil gehe, nehme ich mir bewusst vor, ein Detail entdecken zu wollen, was ich bisher noch nicht wahrgenommen habe: eine schöne Fassade, eine Blüte an einem Baum, vielleicht einem besonderen Baumstumpf oder ein Tier.

Dann komme ich manchmal anders zurück von meinem Spaziergang. Die Achtsamkeit wird sicherlich noch viele Wochen und Monate bleiben – umso mehr möchte ich meinen Körper einüben, auch in diesen Coronazeiten die körperliche Haltung der österlichen Botschaft lebendig zu halten: Fürchte Dich nicht! Damit Augen und Herz nicht gehalten sind, sondern erkennen können…

Bruder Karl-Leo


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Kommentare

  • Ich habe 1960-63 in der Gabelsbergerstr., einer Dienststelle der Post (DBP), einen Teil der Lehrausbildung zum Fernmeldehandwerker erhalten. Es ging immer zu Fuss vom Hauptbahnhof auf verschlungenen Wegen , Celler- und Alte Celler Str. (Alte Celler Heerstr.?)
    bis zur Gabelsbergerstr. Dort gab es Unterrichtsraeume, in denen vom Personal der Post
    (Fernmeldeamt 3) Einweisungen in die Endgeraete der Telefontechnik erfolgte. Das ganze lief in Form von Kursen ab, die vier, sechs oder acht Wochen dauerten. Wir Lehrlinge
    waren in Gruppen von 12 Jungen eingeteilt, mein Lehrjahr bestand aus 7 Gruppen, die jeweils einem oder auch 2 Ausbildern zugeteilt waren. Die Gruppen wurden immer getrennt unterrichtet, nur einmal in der Woche, wenn wir die oeffentliche Brufsschule besuchten, waren wir drei Gruppen in einer Klasse. Diese Gruppen wurden nie veraendert,
    nur die Ausbilder wechselten von Kurs zu Kurs, das lief so die ganze Lehrzeit ueber, das waren damals 3,5 jahre. Wenn wir hoerten, es geht zur Gabelsberger waren wir sehr erfreut, denn es ging dort locker ab. Alles ziemlich stressfrei, Stromlaufplaene lesen,
    die auf Metergrossen Pappen aufgeklebt waren, jeder kam mal dran mit dem Zeigestock
    den Stromlauf dem Ausbilder vorzuzeigen. Wir bekamen eine Kopie, so konnten wir zu hause ueben. Ich uebte selten, erinnerte mich aber immer an das wichtigste, und der (die)
    Ausbilder merkten nie die Luecken, was mir wie ein Wunder erschien! So ging die Zeit in Gabelsbergerstr. dahin, 1 oder 2 Kurse im Jahr bis zur Gesellenpruefung, die dort auch
    teilweise abgehalten wurde. Die Post war unglaublich verzweigt, es gab Ausbildungsstellen
    an mehreren Orten in Hannover (ich wohnte in Ronnenberg), ich lernte als Hannover gut kennen, immer zu Fuss, oder mit der Strassenbahn bis Doehren, oder mit dem Zug bis Kleefeld, oder nach Laatzen zum Messegelaende wo es eine kleine Dienststelle (kleines Fernmeldeamt) gab, wo ich in administrative Aufgaben eingewiesen wurde, z.B Telefon-
    nummern an die Messeaussteller ausgeben oder verwalten. Das waren Namen wie Siemens, AEG, BASF (vormals Meister Lucius und Bruening AG, das erheiterte mich damals sehr), Hoechst, BBC, und Springreiterveranstaltungen mit Telefonen zu versorgen.
    Fuer die Presse wurden Telefonzellen aus Holz(braun gebeizt) aufgestellt (4oder5), die tonnenschwer waren, da sie schalldicht sein mussten, die Tueren hatten Fenster mit doppelten Scheiben , alles abhoersicher, das Fernmeldegesetz vom 1.1. 1900 vom Kaiser Wilhelm unterschrieben, verlangte das noch im Jahre 1962). Es gab einen Spezialtransporter der diese
    Ungetueme hydraulisch aufnehmen und absenken konnte. Diese Zellen habe ich dann mit einem Kollegen verdrahtet- mit Klingeldraht!
    Die Gaibelstr in der List war aber immer unser liebster Einsatzort (Einsatzort wie beim Militaer, wir waren auch aehnlich organisiert, wie ich feststellte als ich dann 1967-68 bei der Bundeswehr war, Gruppengroesse wie bei der Post, 12 Mann, sogar Dienstgrade in
    der gleichen Staffelung bis zum General (Postdirektor). Nun das ist lange her, ich lebe inzwischen in PERU, aber die Post, die Gaibelstr, die List, die Podbi und die Eilenriede
    sind unvergesslich, eingebrannt wie mein Name. Ich liess das alles hinter mir, und ging
    einen eigenen Weg, der mich durch die ganze Welt fuehrte- bis nach PERU. Ich war dann Seemann, (unter anderem), vor ueber 30 Jahren wurde ich in Peru entlassen, weil ich zu teuer war (wir waren Deutsche auf einem Bolivianischen Schiff, und es gab einen Eklat, wir wurden ausgezahlt, mir wurde ein Flugticket in die Hand gedrueckt nach Hamburg (1 Jahr gueltigkeit 1985), ich stand nun in PERU (ich war dort zum ersten Mal), kannte kein spanisch…… Ich hatte meine Heuer in der Tasche, und sagte mir: diese Gegend schauste dir mal naeher an! Ich heiratete, habe Kinder, die inzwischen in Deutschland sind, habe ein zweites Mal geheiratet, wir haben ein Maedchen adoptiert, bei dem die Gefahr bestand dass sie in ein Heim eingewiesen wird (aus dem man selten wieder herauskommt – hier in PERU), sie heisst jetzt Frida, wie meine Mutter, alle Daten geaendert (Idee meiner Frau – (hat Jura studiert)), Frida ist 11 Jahre alt, sehr aufsaessig, sie steckt nichts ein, sie ist klug und beherrscht den PC besser als ich, repariert ihr Handy oder Tablett (PC), malt
    schiesst mit Pfeil und Bogen…. Jetzt sind wir schon seit 5 Monaten im Ausnahmezustand
    wegen Corona, die Schulen sind geschlossen, Unterricht ueber Laptop, keine Besuche, Kinder duerfen nur fuer eine Stunde auf die Strasse (spielen verboten!), zum Glueck haben wir ein grosses Haus, grosses Gelaende, vollkommen mit einer drei Meter hohen Mauer umgeben (wie ein Kloster, hier Monasterio genannt) wo wir schalten und walten koennen, wie es uns beliebt, drei Hunde und drei Enten leben hier noch (jeden Tag Eier), ich habe eine Werkstatt mit hunderten von Werkzeugen mit denen ich mich beschaeftige (meistens Metallarbeiten,aber auch Holz), meine Frau hat sich das Konditorhandwerk angeeignet (mit Kursen), und stellt Torten her auf Bestellung fuer Festlichkeiten, grosser Backofen und Maschinen und unzaehlige Backformen sind
    angeschafft worden (alles gebrauchte Geraete, die ich aufarbeite). Die Krise (Corona)
    schlaegt bei uns wenig durch, wir arbeiten einfach als sei nichts geschehen. Zum Glueck
    gibt es noch Wasser, Gas (Flaschen) und Strom und Telefon (Internet), und ich bekomme am 26. des Monats meine Rente aus Deutschland auf mein Konto…. NOCH!!! So sieht es hier aus in PERU zur Zeit.
    Im Internet habe ich etwas ueber Fuerstbischhoefe recherchiert, wobei ich in Hildesheim
    darueber stolperte, dass neue Kloester eingerichtet worden sind, wie das Ihrige in Hannover in der List. Wenn ich List hoere, denke ich nicht an den Komponisten, sondern zuerst an die Geibelstr. wo ich 3,5 Jahre Schaltplaene bueffeln durften, von denen mehrere aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg stammten und museumsreif waren. Ausserdem
    gab es in der Naehe des Lister Platzes den Bauhof einer grossen Strassenbaufirma, Berneburg, wo ich fast ein Jahr gearbeitet habe, nachdem ich mich von der Post befreit hatte -1966. Zur Strafe wurde ich zur Bundeswehr eingezogen, was mir normalerweise erspart geblieben waere (Zurueckstellung bzw Freistellung). Ich verplemperte dann 2 Jahre
    1967-1968 bei der Luftwaffe in Ostfriesland……
    Nun ich moechte sie nicht weiter von wichtigen Dingen abhalten, doch noch etwas was Ihnen wahrscheinlich gefaellt: meine Tochte Frida ist katholisch getauft (meine Frau ist katholisch) und konfirmiert worden hier in Lima, waehrend ich evangelisch in Ronnenberg getauft wurde, meine Mutter war neuapostolisch mein Vater evangelisch und ich bin am Ende aus der Kirche ausgetreten (1970), und in die komunistische Partei
    eingetreten (1975). Das ist nun alles ganz schoen lange her, viele Dinge haben sich drastisch geaendert, ich spreche jetzt spanisch und englisch, denke aber wie ein Deutscher, wie ich vermute. Nebenbei, hier wo ich lebe, am Meer (Pacific), regnet es nie, nie unter 15 C und nie ueber 30 C, die Pflanzen wachsen wie verrueckt durch hohe Luftfeuchtigkeit , die sich in der Nacht niederschlaegt, morgens um 10Uhr ist alles trocken.
    Stelle mir vor, dass Sie PERU mal besuchen moechten, das geht im Moment nicht, doch wenn es wieder moeglich ist, dann sollten Sie das als katholischer Moench oder Priester
    wirklich einplanen, PERU ist ein Paradies fuer Katholiken, wie ich vermute, Kirchen an allen Ecken, und Kloester, und unglaubliche Prozessionen (1 Million Menschen auf den Strassen), wir marschieren da jedes Jahr mit, auch mit unserer Tochter Frida.
    Machen Sie es gut und unternehmen Sie weiterhin ihre Spaziergaenge (oder mit dem Fahrrad) auch in der Eilenriede, was man schwer toppen kann in Hannover.

    Hubert Kaiser
    Alameda los Horizontes 467
    Lima PERU
    hubertksr@gmail.com

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