Psalmen

Welcher Psalm-Vers gefällt Dir besonders gut oder hat für Dich persönlich eine besondere Bedeutung?

„So gilt doch von Zion: Dort ist ein jeder gebürtig“ (Ps 87, 5)

In der Osterzeit singen wir den Psalm 87 mit einer Antiphon aus dem Jesaja-Buch, einem Gotteswort: „Gesegnet ist mein Volk Ägypten und Assur, das Werk meiner Hände, und Israel, mein Erbteil“ (Jes 19, 25). Man muss wissen, dass in der Geschichte Israels die Assyrer und Ägypter zu den bedrohlichsten Feinden des Gottesvolkes gehörten, das Jahwe sich erwählt hatte. Und jetzt heißt es auf einmal, dass diese todbringenden Gegner auch sein Volk seien, dass er sie geschaffen habe – welche Herausforderung für die Menschen auf dem Gottesberg Zion, die ihr Geburtsrecht mit anderen – und gerade mit diesen – teilen müssen! Doch scheinen sie es zu schaffen, denn das Ende des Psalms berichtet von einem großen Fest: „Und sie tanzen und singen: In dir sind all meine Quellen!“

 

Wie würdest Du den Vers in Deiner eigenen Sprache formulieren und welche Bedeutung hat der Vers für Dich persönlich?

Mit einem Federstrich tilgt Gott das Trennende zwischen den Menschen. Das Geburtsregister auf dem Zion baut nicht auf den einzelnen Geburtsorten auf, sondern auf der Erwählung, die zwischen „geboren“ (Herkunft) und „gebürtig“ (Zugehörigkeit) unterscheidet. Ich höre für mich daraus eine gewisse Berechtigung dafür, an Grenzen zu gehen, die in meinem Leben bestehen, und einzuladen zur Bürgerschaft auf diesem Berg. Schließlich darf ich mir sagen lassen, dass auch ich selbst in die Hand Gottes eingeschrieben bin.

In welcher Lebenssituation könnte man diesen Vers jemandem an die Hand geben?

Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, nicht gebraucht oder geliebt oder auch angefeindet, die verzagt sind und an ihrem „Wert“ zweifeln, allen, die Barmherzigkeit suchen, könnten sich von Gott sagen lassen: Auch du gehörst dazu, nimm teil am Fest!

 

Angenommen, der Vers wäre der Titel eines Filmes – wovon würde der Film handeln?

Das Drehbuch dieses Filmes wird von den Ereignissen unserer Tage geschrieben: Die Kirche, das neue Zion, wird zur Heimat für alle, die fremd sind, auch für jene, denen gegenüber Vorbehalte bestehen wegen kultureller, religiöser und anderer Unterschiede. Christliche Gemeinden schaffen es, ihren Glauben mit anderen zu teilen und an einer Welt zu bauen, in der alle „Staatsbürger“ sein können, die das Heil suchen. Die Drehorte für einen solchen Film braucht man – Gott sei Dank – nicht lange zu suchen: Es sind Bahnhöfe, Pfarrhäuser, Klöster, Familien, die sich als „Zion-Regionen“ begreifen und von der Großzügigkeit Gottes gelernt haben.

 

Abt Johannes

 

Abt Johannes Jung OSB, geb. 1952; Wien; Abt.

 

 

 

 

 

Bild: © Schottenabtei, Wien  (P. Christoph Merth OSB)

 

Bruder David


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