Immer wieder spielte in den Klöster die Gesundheit und das „Gute für Leibe und Seele“ eine zentrale Rolle. Menschen kamen in die Klöster, um nicht nur seelisch, sondern auch körperlich Linderungen in ihren Leiden zu erfahren. Heute ist Hildegard von Bingen als heilkundige Nonne in aller Munde, aber die Geschichte des Mittelalters ist voll Schwestern und Brüder, die sich mit Kräuterheilkunde beschäftigt haben und von Menschen in Not aufgesucht wurden.
Was finden Menschen heute, wenn Sie in die Cella Praxis kommen? Als wir am 18. November gemeinsam unser Jubiläum gefeiert haben, entstand in kleine Runde beim Ausklang mit einigen Brüdern, Gästen und dem Praxis-Team ein lebhaftes Gespräch über den Erfahrungsschatz aus diesen 25 Jahren.
Was bieten wir und was suchen Menschen bei uns? Zum einen ist die Cella Praxis eine ganz normale, kassenzugelassene logopädische Praxis, die die Cella im Jahr 1997 eröffnet hat. Die meisten Menschen kommen zu uns mit einer Verordnung durch einen Arzt. Manche haben von uns gehört, manche bekommen uns empfohlen. Manche sehen sofort die Verbindung zur Cella Sankt Benedikt, kennen das Kloster aus der Seelsorge oder Begleitung und wählen die Praxis genau deshalb, anderen scheint das unbedeutend – oder sogar unbekannt zu sein. Maria Haupt und Br. Karl-Leo, die diese Praxis gemeinsam gegründet haben, sind beide Atem-, Sprech- und Stimmlehrer, diese Ausbildung hat einen Schwerpunkt in der künstlerischen Arbeit mit der Stimme und den Wechselwirkungen der Atmung. Im Praxisalltag hat sich dieser Schwerpunkt weiter akzentuiert: Es kommen immer häufiger Menschen, die in ihrer alltäglichen Belastung die ruhige und gesunde Atmung verlieren. Und meistens dazu auch den schönen Klang ihrer Stimme. In den Zeiten der Pandemie sind neue Aufgaben dazu gekommen: Das Sprechen mit Maske, lange Zeiten mit Video-Konferenzen und die psychischen besonderen Belastungen im Lockdown. Die häufigste Erfahrung vieler, die in diesen Wochen unsere Praxis aufsuchen, ist die Müdigkeit und Atemeinschränkung nach einer Covid-Erkrankung. Auch wenn die diagnostische Eingrenzung von Postcovid oder einem Fatigue-Syndrom bei vielen nicht so eindeutig - oder noch keiner offiziellen medizinischen Diagnose würdig sind - , die Erfahrung mit persönlichen Einschränkungen der Atem- und Stimmqualität prägt derzeit viele Menschen leidvoll.
Es ist eine schöne Aufgabe, Menschen zu helfen, nach einer Erkrankung wieder an die Kraft die eigenen Atmung und der Stimme zu finden. Und es scheint selbstverständlich, dass dies nur mit einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen gelingen kann. Natürlich werde ich sofort unsicher, ob ich das Wort „ganzheitlich“ hier schreiben will. In unterschiedlichen Medien verbindet sich so vieles mit diesem Wort. Das gerade religiöse Gruppen manchmal berechtigt in den Verdacht geraten sind, mit einem vermeintlich „ganzheitlichen Ansatz“ ideologische Therapiekonzepte oder fehlende medizinische Kompetenz zu kaschieren, fordert uns als Kloster da noch einmal besonders.
„Ganzheitlich“ hier zu definieren, würde den Rahmen sprengen. Gleichzeitig, und das wurde in dem Gespräch am Abend unseres Fest deutlich, entsteht diese Frage mit jedem neuen Menschen, der uns in der Praxis als Patient oder Kundin gegenübertritt: Wie kann ich alle erforderlichen Aspekt für die Heilung im Gespräch erfragen, wahrnehmen und in die Arbeit einbeziehen. Fragen zu Körper und Seele, von Diskretion und Analyse, Empathie und professioneller Distanz angemessen auszubalancieren, machen jedes Erstgespräch zu einem Erlebnis. Eine verantwortliche Suche nach einer ganzheitlichen Heilung fordert uns immer wieder, kritisch die eigenen Therapiewege zu bedenken und neu zu justieren.
Eine besondere Freude sind dabei unsere Praktikant:innen. Es sind Berufskolleg:innen in der Ausbildungsphase, die dann für etwas 10 Wochen in der Praxis mitarbeiten. In diesen Wochen entsteht oft ein intensiver Austausch über das, was „ganzheitliche Heilung“ ist und sein kann. Hier verbindet sich die lange Erfahrung, die wir persönlich in der Praxis gesammelt haben, mit dem aktuellen Wissen einer Ausbildungseinrichtung zu einer lebendigen suchen.
Lässt sich dieses Erfahrungswissen einer Praxis weitergeben über die eigene Phase kraftvollen Arbeitens hinaus? Diese Frage meiner Brüder an uns im Praxisteam am Abend des Festes hat mich berührt. Der heilige Benedikt hat in seiner Regel ja auch persönliche Lebenserfahrungen weitergegeben die für uns heute fruchtbar geworden sind. Und auch, wenn das ganz viel bescheidener sein kann und sollte als eine ganze Regel – über die gute Weitergabe persönlicher Erfahrungen für eine ganzheitlich Heilung nachzudenken und ihr ein Form zu geben, ist doch wirklich eine schöne neue Aufgabe nach 25 Jahren in der Praxis…..