Mystiker werden

Was heißt es, Mystiker zu sein, was kann ich tun, um diese Dimension meines Lebens zu entdecken und zu leben, wie kann ich die Pforten meines inneren mystischen Raumes offen halten? Wie kann ich ein Mystiker werden – und damit ist nicht eine dieser Fragen gemeint, nach dem Motto: Mystiker in 100 Tagen, 10 Dinge, die Du tun musst, um ein Mystiker zu werden. Mystiker zu sein heißt, Leben in seiner Tiefendimension zu erfahren, Gott zu spüren. Dafür braucht es Übungsräume, Haltungen und Hinweise, die uns dafür bereiten. Hier ein paar erste Empfehlungen:

Nimm Dich ernst!

Damit beginnt eigentlich alles, damit, die eigenen mystischen Empfindungen oder religiösen Gefühle ernst zu nehmen, wo immer sie Dich auch treffen mögen. Die meisten tun das als Gefühlsduselei ab: sind halt nur Gefühle. Da spürt jemand ein wenig Traurigkeit, ein Berührtsein während eines Konzertes oder einer Oper, da spürt man ganz körperlich diese innere Offenheit, und schon mit einer kleinen Bewegung, mit einem Wort können wir alles wegwischen, weil wir solche Phänomene nicht ernst nehmen. Es braucht nicht viel, und schon sind die inneren Pforten oder Türen oder Spalten wieder geschlossen. Sie sind aber wichtig, weil sie der Anfang von etwas Neuem sein können. Religiöse Erfahrung beginnt genau so, mit einer kleinen Spalte, aus der ein neuer Duft dringt, ein neues Licht uns anscheint. Und intuitiv spüren wir, wenn ich mich auf dieses Licht oder diesen Duft einlasse, dann verändert sich etwas, dann bin ich gefordert, dann passiert etwas, was ich nicht mehr kontrollieren kann.
Wann immer aber Du dergleichen spürst und wo auch immer Du es spürst: nimm es ernst, es ist wie ein Ruf, es ist eine große Möglichkeit – nimm es ernst und halte es nicht fest. Es ist ganz normal, dass solche Erfahrungen wieder verschwinden – eben noch wie entrückt und schon wieder in der eigenen harten Realität gelandet. Das ist normal! Dennoch oder gerade deswegen: wenn Du dergleichen erlebt hast oder erlebst, dann fühle Dich aufgefordert, mehr davon zu wollen, spüre das, was auf Dich schon Dein ganzes Leben wartet. In dieser Kammer, in diesem Licht und umweht von diesem neuen Duft lebt der neue Mensch, der Du vom Wesen her bist. Es wird Zeit ihn zu entdecken! Mystiker werden heißt: die eigene Erfahrung ernst zu nehmen.

Trau Dich!

Und so kommen wir gleich zum nächsten: Habe Mut, Schritte zu gehen, habe Mut, Dich auf diesen Weg einzulassen, dessen Ziel noch gar nicht zu erkennen ist. Hab Mut, Dich auf das einzulassen, was Du letztlich nicht mehr kontrollieren kannst, habe Mut die Büchse der Pandora zu öffnen – auch wenn aus dieser Büchse keine Untugend entweicht, sondern ein klares, strahlendes und liebendes Licht. Ja, der Weg wird Dich verändern, ja, es wird nicht leicht werden, ja, Du wirst immer wieder lernen müssen zu lassen, und ja, diese eine Erfahrung, sie wird Dich auch wieder verlassen und es gibt Zeiten, wo Du nichts mehr spüren wirst, nichts Spirituelles. Mystik gibt es nicht als Kompaktangebot und nicht weichgespült.
Trau Dich bitte dennoch! Denn Reichtum entsteht nicht durch Anhäufen von Geld, sondern durch die innigste Beziehung zu Gott. Und Du bist zu diesem Reichtum berufen. Deshalb begnüge Dich nicht mit Lehrmeinungen, Lehrsätzen und vorgekauten Instant-Erfahrungen. Suche danach, selber zu spüren und zu erfahren. Mystiker werden heißt Mut haben einen eigenen Weg zu gehen.

Ich freue mich wieder über Deine Kommentare!

Bruder David


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Kommentare

  • hallo Bruder David,
    Mystik, kaum wage ich das so direkt in den Mund zu nehmen…vielleicht ist es das, was ich so erfahre : machmal ganz kurz, wie einen Hauch, nicht festhaltbar, kaum oder eigentlich gar nicht in Worten auszudrücken, wie eine Sehnsucht ,oder ein inneres Hingezogenwerden zu etwas, Jemand…
    ja, und besonders tief eindrücklich ist es mir, wenn diese Ahnung und das Berührtwerden von… Gott …auch morgens , sehr zeitig morgens z.B. auf dem Weg zum Dienst geschieht- wenn ich eigentlich sehr geerdet, müde bin, und gerade mal nur die nächsten Stunden vor mir sehe und bewältigen will, also in gar keiner „höheren “ Phase schwebe :-),oder sehr kaputt nach einem langen Tag, oder mitten in sehr traurigen Momenten und Zeiten der Verzweiflung in innerer Zerrissenheit oder Unfähigkeit -gerade dann diese unsichtbare Gegenwart als wirklich zu erleben ,ganz ganz kurz, in absoluter Nüchternheit, vielleicht als Antwort nur fähig, „Danke“ zu flüstern, mich wortlos bergend in Seine Nähe ,die ich glauben will…und so oft nicht spüre .

    Aber was erwarte ich denn von diesem „Spüren“, das kann ich wieder rum auch nicht so definieren ??
    Danke ….
    Astrid

    • Liebe Astrid, sorry, dass ich heute erst schreibe – ich war ein paar Tage im Urlaub.
      Vielleicht ist eine Erwartung auch nicht das richtige, vielleicht ist Erwartungslosigkeit die richtige Antwort auf ein solches Spüren. Es einfach wahrnehmen, dafür ganz präsent sein und es es wieder gehen lassen. Erwartungen können uns schon wieder innerlich für solche Momente verschließen. Man kann ja auch nichts tun, damit ein solches Spüren entsteht, außer sich einzuüben offen dafür zu werden und wie eine leere Schale zu werden. Das ist für mich übrigens eines der besten Bilder für die Mystik und dafür, was es heißt, ein Mystiker/eine Mystikerin zu werden: eine leere Schale
      Was sind denn deine Bilder oder Symbole für das Spüren, dass Du beschreibst?

      LG

      Bruder David

      • hallo Bruder David,
        ja, das stimmt absolut-Erwartungen sind immer einengend, begrenzend..das erlebe ich auch im Umgang mit Menschen so- und genau so das Gegenteil: keine Erwartung haben, befreit von einem ungeheuren Druck, mir selbst-und Anderen gegenüber..und dann ist vieles , was ich früher meinte “ verdient zu haben “ eben ein echtes Geschenk, weil -nicht erwartet und erzwungen.
        Die Schale ist ein gutes Bild, ja.Sich füllen lassen..
        Meine Bilder? Die sind manchmal spontan, kurz da und wichtig, aber manchmal vergesse ich sie auch wieder
        Dürre ,trockene Erde, rissig, hart, und doch können ein paar Tropfen Wasser schon vielleicht einen tief darin schlummernden Samen , vollkommen verborgen vorher, erreichen , so berühren, dass er zu neuem Leben erwacht.. vielleicht wäre zuviel Wasser auch gar nicht gut, trockene Erde braucht sicher eher das behutsame benetzt werden, Tropfen für >Tropfen. Vielleicht geht auch nicht gleich ein Same auf, vielleicht wird aber die Erde zumindest etwas weicher, die Risse verheilen ein wenig… ist doch auch schon was…!
        Ich will mich zumindest mit meiner „Trockenheit “ öffnen für die Begegnungen mit Gott.. d.h.diesen Zustand wahrnehmen,annehmen ,und das ist nicht immer leicht, eben manchmal auch, ruhig da liegen wie die Erde und den Regen empfangen,
        wenn er kommt.. Geschenkt.

        Und doch, Mystik ist immer noch etwas mehr , weil es eben persönlich ist…
        liebe Grüße nach Hannover
        Astrid

        • Mystik hat eben auch viel mit Aushalten zu tun. Wir leben in Polaritäten, erleben Dürrezeiten, wo wir innerlich verschlossen sind und keinen Zugang finden. Viele können diese Spannung nicht ertragen und entfliehen. Dabei geschieht genau in diesen Spannungszuständen ganz viel. Früher wurde das Aushalten sehr moralisch verstanden und man meinte, man müsse nur ruhig und still halten, egal was kommt. Das ist natürlich übertrieben. Aber es gehört doch ganz wesentlich zum Menschsein dazu, auszuhalten und nur, wenn ich dazu bereit bin, kann ich meinem Leben Tiefe geben. Siehst Du das auch so?
          Lieber Gruß
          Bruder David

          • hallo Bruder David,- gerade habe ich erst Deine Antwort hier entdeckt, , indem ich mal einen Monat vorher das Archiv angeklickst habe, hatte diese Möglichkeit noch gar nicht gesehen…
            So möchte ich Dir herzlich danken , und, ja- ich sehe das wesentlich auch so. Und wenn ich in die Natur schaue, eröffnet sich mir manchmal auch ein Verständnis davon, was gerade z.B. in einer Dürrezeit vor sich geht, trotz allem, und vielleicht auch unsichtbar, und eben auch wichtig .
            Es schenkt mit der Zeit auch etwas mehr Gelassenheit, und klar, ohne alles zu dramatisieren,
            mit Humor betrachtet und -da ich gerne Yoga mache- sage ich mir dann manchmal, „Weiter atmen, das ist der Trick“,und manchmal eben auch schon alles für den Augenblick, was möglich ist
            liebe Grüße, Astrid

          • Das mit dem Atmen geht mir auch so. Wer sich ganz mit dem Atem verbindet und lernt „einfach weiter zu atmen“, der hat echt schon viel gewonnen. Gerade Yoga kann einem da sicherlich viel lehren. Hast Du Dich mal mit der Yoga-Philosophie beschäftigt? LG Bruder David

  • hallo,
    naja, unsre liebe Yoga Meisterin verbindet ihre Stunden/Übungen immer mit einem Mantra und Gedanken zur Philosophie… hier habe ich schon viele gute Impulse bekommen, auch was Langmut,Einfachheit,Dankbarkeit (!) aber manchmal auch einfach Nüchternheit und Gelassenheit betrifft, sich annehmen wie man eben im Moment gerade ist- gar nicht mal so weit weg vom Glaube eigentlich, und wenn Jesus sagt, nimm Dich doch auch mal an selber-so wie ich dich…und den Anderen auch.
    Ja, wie schwer tut man sich da manchmal, und wie leicht kann es sein -wenn man es mal zuläßt.
    Ja, die Yogaübungen lehren mich viel über innere Dinge , immer wieder, möchte das nicht missen-natürlich auch körperlich nicht. Und ich hatte schon oft das Gefühl, dass eine ´Verbindung zwischen dem Aufrecht gehen innerlich und äußerlich besteht.
    nicht , dass es mir immer gelänge..naja , aber der Weg tut schon mal gut.

    🙂
    danke,
    Astrid

    • Es gibt bei Graf Dürckheim eine schöne Passage in seinem Buch „Alltag als Übung“ wo er erklärt, wie der weg zum Briefkasten dafür genutzt werden kann sich innerlich in Ordnung zu bringen und auszurichten. Das lese ich immer mal wieder, weil es zeigt, wie einfach das Üben sein kann und wie schnell man sich wieder innerlich ausrichten kann. Jedes Gehen kann eine Meditation sein. Es geht gar nicht nur darum, mehr Zeit zu investieren, sondern die Zeit besser für mich zu nutzen. LG Bruder David

  • guten Abend,
    das klingt ja interessant , dieses Buch, werde ich mir mal merken, spricht mich sofort an.
    Es erinnert mich an ähnliche kleine Erfahrungen die ich mache, z.B. auf Arbeit, eine Fahrt mit dem Fahrstuhl zu nutzen, um ein kurzes Gebet zu sprechen, kurz durch zu atmen, oder einen Baum aus dem Yoga zu machen, usw.
    man denkt immer, das ist so wenig… schön , wenn Andere ähnliche Dinge tun und erleben,
    für heute liebe Grüße,
    Astrid

    Danke,
    für heute erst mal liebe Grüße,
    Astrid

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