Ich will jetzt nicht stöhnen über die Hektik dieser Welt, den Druck in der Arbeitswelt, der selbst das Kloster nicht ganz unverschont lässt. Ich will nicht stöhnen und mich nicht beklagen, dass es gar nicht so schwer ist, in dieser Welt mit Gott verbunden zu bleiben, die Gegenwart zu spüren und in einem Zustand des spirituellen Bewusstseins zu leben. Ich will mich nicht beklagen, dass Ärger und Wut manche spirituellen Phantasien schnell zusammenbrechen lassen und mich auf den Boden meiner Realität stellen. Nein, das alles will ich nicht.
Was ich will ist, Ideen zu entwickeln, wie wir mit dieser Welt leben, so wie sie ist, und mit mir zu leben, so wie ich bin. Schön wäre es, wenn manches anders wäre, gar keine Frage, schön wäre es auch, wenn ich in völligem Gleichmut allem Ärger mit einem Lächeln begegnen könnte und Buddha gleich durchs Leben zöge. Vielleicht gelingt es mir dereinst, noch aber bin ich weit davon entfernt. Schön wäre es auch, wenn das Böse kleiner und das Gute stets größer würde, wenn das Bemühen Erfolg hätte und alle nach dem Guten streben würden. Ja, gut wäre das. Aber so ist es nicht.
Aber wir können Dinge tun, die den Alltag entzaubern, vom Einerlei, von der Tristesse und von den negativen Erfahrungen entzaubern und eine Magie des Guten und eine Kraft Gottes aufbauen. Nicht im Sinne eines überwältigenden Auftritts, sondern im Sinne eines kleinen Zeichens und Übens in meinem Alltag, in meinem Leben und in dieser Welt.
Wir brauchen Übungen, die uns helfen, Gott zu spüren, die uns vorbereiten für den Augenblick des Einbruchs Gottes in mein Leben. Übung verstehen wir Europäer schnell als ein Tun, um etwas zu können. Dann hat Übung ein Anfang und ein Ende. Otto Bollnow, ein Pädagogikprofessor, hat in den 60er oder 70er Jahren ein wunderbares Buch über das Thema Übung geschrieben: Vom Geist des Übens. Er bezieht sich neben anderen Einflüssen auch auf den Zen Buddhismus. Dort wird das Üben als Form der spirituellen Weiterentwicklung betrachtet. Es endet nie, weil das Leben weitergeht. Und so verstanden sind auch die Übungen, die ich Dir heute vorstellen möchte.
Mir geht es dabei darum, dass Du Dich an jedem Tag vorbereiten kannst auf das Unvorhergesehene. Gott ist nicht der Erwartbare, nicht der gute alte Bekannte, der drüben an der Ecke auf Dich wartet – wie jeden Tag. Er ist der Überrascher und Überrumpler. Doch dafür brauchst Du eine geistige Art des Sehens, die durch spirituelle und geistliche Übungen eröffnet und bestärkt werden.
1. Kreise zeichnen
Bewusstheit und Achtsamkeit sind wichtige Organe des spirituellen Lebens. Sie schulen unseren Geist und helfen uns, für die Gegenwart Gottes offener zu werden. Im Zen Buddhismus gibt es eine schöne Übung dazu. Dort zeichnen Schüler täglich mit Pinsel und Tinte einen Kreis, den so genannten Enso. Dieser Kreis wird nach ein paar Augenblicken der Sammlung mit einem Schwung, aber in Ruhe, ohne zu zögern, gezeichnet. Ziel ist es natürlich einen Kreis zu malen. Aber eben in einem Schwung, nicht zu schnell und nicht zu langsam. Je besser Du in Deiner Mitte gesammelt bist, umso besser. Ich mache das manchmal morgens und es offenbart mir jedes Mal meinen inneren Zustand. Zugleich werde ich ganz ruhig und gesammelt. Und manche meiner Bilder können sich sogar sehen lassen (ist ja auch nicht schlecht …).
Das brauchst Du dazu:
Tinte
Aquarellpinsel (es gibt natürlich japanische Pinsel dafür, falls Du gerne mehr Geld ausgeben möchtest)
Aquarellpapier
Unterlage
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=QLFft9xmnm8]
2. Gebet am Morgen
Schreibe Dir doch selber ein Gebet, das Du jeden Morgen betest. Oder such Dir ein Gebet aus. Es gibt im Netz wie in Büchern eine solche Fülle an Auswahl. Du wirst etwas finden. Und wenn es kein Gebet ist: vielleicht ein Text, ein Gedicht.
3. Affirmation für den Tag
Affirmationen sind Sätze, die Dich zu einer Grundhaltung oder einem Tun Auffordern. Zum Beispiel: In allen Lebenslagen will ich gut zu mir sein. Oder: Niemand kann mir etwas nehmen. Es kann tatsächlich sehr hilfreich sein, sich Beine?? solche Affirmation zu suchen. Das ist etwas Ähnliches wie ein Mantra, wenn auch etwas länger. Einen solchen Satz mit in den Tag zu nehmen, kann wie ein Anker sein, der Dich mit dem Lebensgrund verbindet.
4. Schreibe Dir eine Email
Vielleicht hast Du einen Beruf, wo Du regelmäßig mit dem PC arbeitest. Dann schreibe Dir doch dann und wann einmal eine E-Mail. Es gibt Programme, die man so einstellen kann, dass Du Datum und Zeit vorgeben kannst. Vielleicht stellst Du das am Anfang des Monats für einige Tage ein und lässt Dich dann überraschen. Oder Du bittest jemand anderes das für Dich zu tun, dann ist die Überraschung noch größer. Was Du darin schreiben kannst? Eine Frage, eine Bitte an Dich, ein ermutigender Satz, ein Bild… etwas, was Dich erreicht, stärkt und öffnet – oder vielleicht auch stützt.
5. Bohnen
In einer meiner Fortbildungen habe ich von dieser Idee gehört. Kaufe Dir getrocknete Bohnen und stecke Dir 20 oder 30 in die rechte Hosentasche. Immer, wenn Du etwas am Tag erlebst, wofür Du dankbar bist (egal wie groß oder klein), nimmst Du eine Bohne und steckst sie in die andere Hosentasche. Am Ende des Tages schaust Du nach, wie viel Dankbarkeit am heutigen Tag Du erlebt hast.
6. Segne Deinen Arbeitsplatz
Du musst ja nicht gleich mit Weihrauch und Weihwasser und unter lateinischen Gesängen durch Dein Büro oder um Deinen Schreibtisch laufen. Es reicht ein stiller Segen, den Du vorher formulierst und beim Betreten Deines Arbeitsplatzes leise aussprichst. Vielleicht hilft es auch, wenn Du das Hintergrundbild an Deinem PC entsprechend auswählst. Beginne zu segnen – eine völlig unterschätzte Art spiritueller Übung, so finde ich.
7. Fingergebet
Ich weiß, das klingt ganz komisch. Aber Deine 10 Finger können Dir helfen zu beten. Wenn Du Dich Gott besonders nahe fühlst oder besonders dankbar bist, dann nimm einen Finger in die Hand und stecke das ganze Gefühl der Gottesnähe oder der Dankbarkeit in diesen Finger. Und in den nächsten Tagen wirst Du immer wieder diesen Finger in die Hand nehmen und Dich mit dem Gefühl (Gottesnähe oder Dankbarkeit) verbinden. Dein Gehirn wird lernen, dass Du immer dann Dankbarkeit oder Gottesnähe empfinden sollst, wenn Du den Finger umfasst. Du kannst das auch mit anderen spirituellen Erfahrungen machen oder anderen schönen emotionalen Erlebnissen. Und wenn Dein Alltag trist wird und Du innere Unterstützung suchst, dann nimmst Du den entsprechenden Finger in die Hand und Du wirst spüren, wie eine andere Kraft sich in Dir entwickelt. Am Ende hast Du vielleicht 10 wunderbare Möglichkeiten zu beten und Dich mit Empfindungen, mit heiligen, mit spirituellen Orten oder mit was auch immer zu verbinden. Und keiner bekommt es mit!
8. Trinke mehr Tee
Tee hat etwas Beruhigendes, macht unseren Alltag gelassener, verströmt Gelassenheit und Ruhe. Beginne mehr Tee zu trinken, um Dir diese Ruhe in Deinen Alltag zu holen. Mache aus dem Teetrinken eine Zeremonie, ein Ritual und verstärke so diese Wirkung.
9. Dusche am Abend
Wenn Du nach Hause kommst, dann gehe in die Dusche und setze so eine Grenze zwischen Arbeit und Privat. Du wirst Dich hinterher erfrischt und gelassener erleben. Und der Abend kann beginnen.
10. Bedenke den Tag
Am Abend nimm Dir ein paar Minuten Zeit, den Tag zu bedenken. Was würdest Du immer wieder so machen? Was würdest Du gerne ändern? Welche Aufgabe stellt Dir Dein Leben? Mache Dir Notizen, um ab und zu eine größere Betrachtung über Dein Leben zu machen.
Jetzt glaube nicht, dass ich meine, Du müsstest alles machen – alle 10 Ideen. Vielleicht hast Du längst eigene Ideen dazu.
Wie immer geht es mir um Inspiration. Und wenn Du nun eigene Ideen bekommen hast, dann wäre mir das gerade recht. Und noch schöner wäre es, wenn Du uns daran teilnehmen lässt. Schreib als Kommentar, was Du als kleine spirituelle Übung für den Tag vorschlagen und weitergeben kannst. So profitieren mehr Menschen davon.
hallöchen :O)
zu nr. 5 hab ich eine schöne geschichte die dazu passt.
die geschichte von einem grafen der sehr alt wurde, weil er ein lebensgeniesser par excellence war.
er verliess niemals das haus, ohne sich zuvor eine handvoll bohnen einzustecken.
er tat dies nicht etwas um die bohnen zu kauen. nein, er nahm sie mit, um so die schönen momente des tages bewusster wahrzunehmen und um sie besser zählen zu können.
jede positive kleinigkeit die er tagsüber erlebte z. b. einen fröhlichen plausch auf der str, das laachen seiner frau, ein köstliches mahl, eine feine zigarre, einen schattigen platz in der mittagshitze, ein glas gutes weins, für alles, war die sinne erfreute, liess er eine bohne von der rechten in die linke jackentasche wandern. manchmal waren es gleich zwei oder drei. abends sass er dann zuhause und zählte die bohnen aus der linken tasche. er zelebrierte diese minuten. so führte er sich vor augen wieviel schönes ihm an diesen tag widerfahren war und freute sich. und sogar an einem abend, an dem er bloss eine bohne zählte, war der tag gelungen – hatte es sich zu leben gelohnt.
quelle leider nicht bekannt.
lg corinna stahr :O)