​Es kann schnell passieren. Ein neuer Job steht an, der alte passte einfach nicht mehr, oder der Arbeitgeber hat sich von Dir getrennt. Nun denn, es geht auf in eine neue Stadt, wo Du niemanden kennst, wirklich niemanden. Irgendwie landest Du in einem Häuserblock - es ist schwierig genug, eine Wohnung zu finden. Also gut, dann halt hier, wo tausende anderer in einem großen Block wohnen, muss ja nicht für immer sein. Und da sitzt Du dann, alleine - wirklich alleine. Zwar hörst Du den Fernseher von nebenan, irgendwo weint ein Kind und bellt ein Hund, dann und wann das leise Schnurren des Aufzugs und das Schlagen der Kabinentür. Das war es dann auch schon.

Wen würde dann nicht das Gefühl von Einsamkeit durchfluten. Und wenn eine solche Situation dann auch noch Monate, ja, Jahre andauert, dann wird Einsamkeit mehr als real, sie frisst sich in unser Inneres ein.

Ministerium gegen Einsamkeit

Man hat Einsamkeit als eine der größten Gesundheitsbedrohungen erkannt. So wurde im Jahre 2018 erstmals in Großbritannien in einem Ministerium ein Departement für Einsamkeit gegründet.

Wissenschaftler haben festgestellt, dass Einsamkeit den Blutdruck erhöht. Und natürlich gehören auch Auswirkungen auf unsere Psyche dazu: bei Persönlichkeitsstörungen und Psychosen wurde ein Zusammenhang zu Einsamkeit gefunden. Es wird sogar vermutet, dass Einsamkeit eine Auswirkung auf spätere Alzheimer-Erkrankungen hat. Natürlich braucht es für solche gesundheitlichen Konsequenzen das Gefühl von Einsamkeit über lange Zeit verbunden mit einem intensiven Erleben.

Denn auch das sollte man wissen: Einsamkeit ist Teil des Lebens und jeder Mensch fühlt sich im Laufe seines Lebens irgendwann und vermutlich immer wieder mal einsam. Und da spielt es tatsächlich keine Rolle, ob ich alleine in meiner Wohnung sitze oder mitten im Getümmel von Freunden und Familie. Wer sich einsam fühlt, muss nicht auch gleichzeitig alleine sein.

Alleinsein oder Einsamkeit?

Denn nicht jedes Alleinsein muss auch von Einsamkeit geprägt sein. Alleinsein ist ein objektiver Zustand, sozusagen zählbar. Du bist alleine in einem Raum - das kann man von außen beobachten. Ob Du zugleich einsam bist, kann ich nicht wirklich von außen erkennen. Einsamkeit ist ein Gefühl.

Dieses Gefühl stellt sich zu sehr unterschiedlichen Lebenssituationen ein. Der Umzug, wie ich ihn oben beschrieben habe, ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Die Trennung von einem Partner oder Partnerin, der Verlust der Arbeit, Krankheit und das Älterwerden sind weitere Lebensereignisse, die uns nicht nur mehr allein sein lassen, sondern in denen wir uns schnell einsam fühlen.

Dabei unterstützen bestimmte Einstellungen zu sich selber das Gefühl der Einsamkeit. Wer sich nicht liebenswert findet, wird schneller das Gefühl von Einsamkeit entwickeln. Oder wer meint, unbedingt einen Partner oder eine Partnerin zu brauchen.

“Du musst mehr raus gehen!” sagen dann ehemalige Freunde. Schöner Satz, gut gesagt, jetzt wissen wir endlich, was zu tun ist. Als wären wir nicht selber darauf gekommen Doch rausgehen alleine bringt es noch nicht. Und wenn man nicht der Typ Mensch ist, der in einen Supermarkt geht und sofort fünf neue Leute kennenlernt und mit Namen ansprechen kann, dann wird es wirklich schwer.

Einsamkeit: 6 Hinweise

Wie kann man mit Einsamkeit umgehen? Was kann man machen? In einem solchen Artikel kann man kaum sehr komplexe Hinweise geben.
Natürlich hat Einsamkeit oft einen psychischen Hintergrund und braucht nicht selten eine fachgerechte Behandlung. Dennoch will ich es wagen, Hinweise mitzugeben (keine Ratschläge), an denen weiter zu denken es sich lohnen würde.

“All unser Übel kommt daher, dass wir nicht allein sein können.”

Arthur Schopenhauer

1. Bist Du wirklich einsam?

Ich finde diese Frage mehr als legitim. Frage Dich, ob Du wirklich einsam bist. Denn es kann sein, dass wir uns einsam fühlen, weil wir meinen, man müsste ein viel geliebtes Mitglied der Gesellschaft sein, ein Sunnyboy in den Straßen der Stadt. Vielleicht bist Du einfach ein Mensch, der mit wenigen Kontakten auskommt und sich damit wohl fühlt. Aber Du meinst, es müsste anders sein, weil man es Dir sagte, weil es so üblich ist. Und so entsteht ein Problem, das eigentlich nicht da ist. Daher lohnt es sich darüber nachzudenken, wie viele Kontakte Du wirklich brauchst.
Menschen mit Hypersensibilität können es beispielsweise gar nicht ertragen, ständig und zu oft und zu lange mit vielen Menschen zusammen zu sein. Sie brauchen immer wieder Rückzugsmöglichkeiten, weil für sie die vielen Kontakte besonders viel Energie kosten.
Wenn Du wissen willst, ob Du eine hypersensible Persönlichkeit bist, kannst Du hier einen Test dazu machen:
Hochsensibel


2. Lerne, alleine zu sein


Wenn Du alleine bist, dann wirkt dieser Hinweis zynisch - dann bitte ich Dich, zum nächsten Punkt zu wechseln. Bist Du aber derzeit nicht alleine und einsam, dann beginnt jetzt deine “Trainingsphase”. Lerne mit Dir umzugehen, lerne ohne andere auszukommen, einfach für Dich zu sein ohne Whatsapp, ohne Facebook und Co. Geh nach draußen in den Wald, bleibe einfach mal am Samstagabend in Deiner Wohnung und unternehme am Sonntag nichts. Man kann das Alleinsein ohne Einsamkeit lernen.
Wenn Dir das gelingt, dann hast Du einen großen Schritt hin zu mehr Resilienz gemacht.

3. Kultiviere Dein Alleinsein

Dieser Punkt ist die Ergänzung von Punkt 2. Es geht darum, Formen des Alleinseins zu haben. Den Tisch zu decken, wenn man essen will, für sich zu kochen, alleine ins Kino zu gehen, alleine essen zu gehen, es sich schön zu machen, aufzuräumen, dem Tag eine Struktur zu geben, mit sich spazieren zu gehen...schaffe Dir eine eigene Lebenskultur, die auch ohne andere Menschen auskommt und dennoch Raum lässt für neue Bekanntschaften.
Ich glaube, dass Alleinsein oft mit Passivität zu tun hat, weil wir es nicht gelernt haben, es uns schön zu machen und die Zeit mit sich alleine liebevoll zu gestalten. Aber genau darum geht es und dafür ist eine Lebenskultur da. Sie gibt Dir eine Form, mit solchen Zeiten umzugehen und in der Rolle der Gestalterin/des Gestalters zu bleiben.
Das ist übrigens ein Hinweis, der für alle Lebenssituationen wichtig ist. Wer keine Selbstwirksamkeit mehr hat, fühlt sich ohnmächtig und erfolglos.



4. Engagiere Dich

Wenn ich irgendwo alleine in eine Stadt ziehen würde, dann wäre das etwas, was ich sofort täte. Als ich vor 10 Jahren für eine Auszeit in Münster war, war mir klar, ich brauche schnell Kontakte, damit ich nicht einsam werde. Zwar lebte ich damals bei den Kapuzinern und war daher sozial gut versorgt. Aber dennoch würde ich ohne eine Aufgabe ständig alleine in meinem Zimmer hocken. So habe ich bei Oxfam und bei der Aids-Hilfe in Münster angefragt und fand dort nicht nur eine erfüllende Aufgabe, sondern auch Kolleginnen und Kollegen sowie Hauptamtliche und damit eine Fülle von Kontakten. Dazu viele Kunden und Gäste. Ich denke gerne an meine Arbeit dort zurück.
Und genau das rate ich Dir auch. In jeder größeren Stadt gibt es Freiwilligenagenturen, die eine lange Liste mit Möglichkeiten für Dich bereithalten. Du kannst im Netz danach suchen und wirst eine solche Vielzahl an Möglichkeiten finden, dass mit Sicherheit etwas dabei ist, was Dir und Deinen Fähigkeiten entspricht.


5. Nutze das Internet

Gerade die Möglichkeiten im Netz sind für Einsame vielseitig. Es gibt bei Facebook Gruppen für so viele Interessen und Fragen. Wenn Du neu in einer Stadt bist, dann schau einmal nach, es gibt extra Gruppe für neue Stadtbürger. Dort werden Einladungen ausgesprochen, jemand sucht jemand für einen Spaziergang, ein Kinoabend wird angeboten, der Besuch des örtlichen Schützenfestes oder der Kirmes. Du kannst auch nach Veranstaltungen oder in Communities gezielt nach Leuten aus Deiner Stadt suchen und Kontakt aufnehmen. Und das gilt nicht nur für Studenten oder Azubis, sondern auch für Senioren. Es gibt zahlreiche Communities nur für Senioren und auch, wenn man nicht gleich jemand um die Ecke findet und vielleicht nicht gleich die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit in Erfüllung geht. Wichtig ist, dass ein Anfang gemacht ist, der es auch schüchterneren Menschen ermöglicht, schnell Kontakt aufzunehmen. Und wenn die Person nicht in der eigenen Stadt ist? Warum nicht über das Tool Zoom (kostenlos für zwei Personen) ein Video-Livegespräch beginnen?

Seniorenportal
50plus Treffen
Zoom

6. Haustier anschaffen

Ein Haustier kann trübe Tage und einsame Zeiten gut überbrücken. Gerade Beziehungstiere, wie Katzen oder Hunde, helfen, aktiv zu sein, motivieren Dich, morgens aus dem Bett zu kommen und strukturieren Deinen Tag. Sie kommen aktiv auf Dich zu, wenn sie etwas wollen. Sie reißen Dich aus Deinem eigene Trott heraus.
Hundebesitzer haben zudem die Chance, über die Tiere neue Menschen kennen zu lernen. Wenn Du mit Deinem Hund Gassi gehst, dann kommst Du mit Hundebesitzern sehr schnell ins Gespräch. 
Zudem sprechen Tierbesitzer mit dem Tier und die Tiere antworten auch auf ihre Weise. Es ist diese Art von Reaktion, von wirksamer Kommunikation, die in einsamen Zeiten so gut tun kann.
Ich weiß, wovon ich spreche, da ich selber drei Katzen habe. Wir teilen unser Leben und bilden so eine kleine, vielleicht etwas ungewöhnliche Gemeinschaft.
Und wenn Du keinen Hund halten möchtest, aber Hunde magst oder Du einfach kein Tier auf Dauer in Deiner Wohnung haben willst: Es gibt Portale, wo man sich als Catsitter oder Gassi-Geher melden kann.

Tiere betreuen

Und jetzt Du!

Das sind jetzt meine sechs Hinweise für einsame Zeiten und was Du tun kannst. Nicht jeder Punkt ist für jeden. Aber jeder Punkt ließe sich weiter denken, um ihn für sich anzupassen.

Ich denke das Problem ist, dass man als einsamer Mensch oft so sehr von der Einsamkeit und den Gefühlen in Beschlag genommen wird, dass man nicht mehr frei ist, die eigene Phantasie einzuschalten, um auf gute Ideen zu kommen. Probleme haben die Angewohnheit, die Phantasie und die Kreativität einzuschränken.

Daher würde mich sehr interessieren, was Du vorschlagen kannst. Was können weitere Hinweise für einsame Menschen sein? Was hast Du gemacht, um einsame Zeiten zu überstehen?

Lass uns hier eine kleine Sammlung als Hilfe für einsame Menschen beginnen.



Bruder David


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Kommentare

  • Hallo lieber Bruder David,

    nach dem Tod der Eltern habe ich mich auch erstmal zurückgezogen von allen und bin dann so langsam wieder ins Leben zurückgekehrt.

    Das ist jetzt für Wunstorf

    Hobbys auffrischen Bauchtanz veranstaltet von der Gemeinde Projekt kurze Wege
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    1 x im Monat, kreative Dinge die man gemeinsam macht, Steine bemalen
    Mehrgenerationenhaus Brotbackkurse, gemeinsames Abendbrot, Filmabend Länder
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    Hospizfrühstück von der Kirche Stiftskirche
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    Erntedankfeste Kirche mit Musik
    Weihnachten nicht alleine Projekt kurze Wege…

    Das sind einige Anregungen die ich genutzt habe…

    Ich wünsche mir das ich damit einige Anregungen geben konnte, damit die Menschen nicht mehr so alleine sind.

    LG Conni

    Bei vielen Veranstaltungen bin ich alleine hingegangen und ich hatte trotzdem eine schöne Zeit. Dort haben sich keine Freundschaften ergeben, aber ich hatte immer eine nette Zeit und nette Gespräche.

    Durch den Stammtisch habe ich eine neue Freundin gefunden wo wir uns jetzt fast jede Woche treffen.

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