Auch ich habe einmal, es ist schon etwas her, Marie Kondos Buch gelesen: "Magic Cleaning". Marie Kondo gilt als die Königin des Aufräumens. Und wer mich kennt, weiß, dass das nicht zu meinen Stärken zählt. Ich bin zwar weit entfernt von einem Messy, aber dennoch sammeln sich viele Dinge bei mir an und ich lege die Sachen manchmal nicht weg, nachdem ich sie benutzt habe. Und da dachte ich mir, versuch es doch mal anders und hol dir Hilfe von einer Frau, die es wissen muss. Sie wird in zahlreichen Brigitte-Artikeln empfohlen und immer wieder gerne zitiert. Irgendwie hat sie den Nerv der Zeit getroffen und mit ihrem Thema "Ordnung schaffen" viele Menschen auf der ganzen Welt erreicht - und wenn ich viele meine, dann meine ich viele Millionen.
Also kaufte ich mir das Buch und begann zu lesen. Ich lernte, wie man Socken richtig aufbewahrt - nur zusammenrollen und nicht den einen Socken über den anderen ziehen. Dann erfuhr ich, wie gefährlich die ach so schönen Boxen sind, in denen man alles ganz schnell verschwinden lassen kann - ich habe sie auch. Wenn einmal etwas darin verschwindet, bekommt es eine Ewigkeitsgarantie. Glaubt es mir!
Und dann heißt es dort, dass Aufräumen und Ordnung von Entscheidung kommt. Was mir aber vor allem gefallen hat, war der Gedanke, dass alles ein Zuhause braucht - zu dem ich es nach Gebrauch dann wieder zurückbringen soll. Welch eine schöne Vorstellung.
Und was mich auch berührte, war die Idee, alles in die Hand zu nehmen und sich zu fragen: Macht mich das glücklich, oder nicht?
Macht mich mein altes ausgedientes Handy glücklich?
Nein, dann weg damit.
Macht mich mein alter Teddy aus Kindheitstagen glücklich?
Oh ja, dann darf er bleiben.
Und so soll man alles durchgehen.
Ein wunderbares Kriterium, finde ich.


Die Sehnsucht nach der guten Ordnung

Und wenn ich so über Ordnung nachdenke, dann merke ich mit einem Blick in meine Umwelt, dass es dort tatsächlich eine Sehnsucht nach Ordnung gibt. Nicht nur danach, dass alles seinen Platz findet und nicht herumliegt. Ich meine eine tiefere Ordnung, eine Ordnung, die Orientierung gibt, bei der man seinen Platz hat - oder anders ausgedrückt, wo man sein Zuhause hat und weiß, wohin man gehört. Wer flüchten muss, hat diesen Platz verloren und sucht einen neuen. Und wer nicht flüchtet und erlebt, wie viele Menschen dazu kommen, bekommt vielleicht Sorge, einen solchen Ort zu verlieren und sich plötzlich irgendwie fremd zu fühlen.
Ja, Ordnung klingt zunächst etwas spießig, klingt nach langweiliger Überordentlichkeit,
nach Etikette, nach Wohnzimmer, wie bei "Schöner Wohnen", nach "Recht und Ordnung",
nach Gesetz und Regeln, Anstand und dem, was sich geziemt.
Und doch ist in uns allen die Sehnsucht und das Bedürfnis nach einer Ordnung angelegt. Wir suchen eine Ordnung. Jeder will in Ordnung sein, und das heißt, in einer Ordnung leben und dort seinen Platz haben. Das erst fühlt sich gut für uns an. Ein Baby, das nicht in einer guten Ordnung aufwächst, wird sich nicht gut entwickeln. Denn Ordnung bringt Sicherheit und Schutz. Natürlich verändert sich das mit den Lebensjahren, und doch bleibt dieses Bedürfnis immer bestehen, immer suchen wir diese Ordnung, die uns guttut - die uns vielleicht sogar glücklich macht.
Natürlich, wenn wir noch tiefer sehen, wenn wir das Ganze unter einem Kernspintomographen betrachten, dann erkennen wir auf einer nächsten, tieferen Schicht, dass es eine Sehnsucht gibt, eine Sehnsucht nach Ordnung, die nicht allein diese Welt uns geben kann, die über diese Welt hinausragt.
Manche holen sich dann Rat durch Horoskopeoder durch Tarotkarten um die tiefere Ordnung zu verstehen oder wenden sich, begleitet von einem Schamanen, ganz in ihre Innenwelt in der Hoffnung, auf eine Schicht des Daseins zu stoßen, die nicht mehr von dieser Welt ist. Man muss das nicht belächeln oder abwerten, falls man damit nichts anfangen können sollte. Es ist einfach Ausdruck einer Sehnsucht, auf diese tiefe Ordnung zu stoßen, die meinem Leben Sinn und Orientierung gibt, die mir ein Zuhause schenkt, zu dem ich immer wieder zurückkehren kann.


Jesus, der die neue Ordnung verkündet

Mit einem Blick in die Evangelien können wir feststellen, dass Jesus selbst jemand war, der eine Ordnung verkörperte, einer, der im Grunde nichts anderes tat, als durch die Gegenden zu wandern und durch seine Worte und Taten die Dinge neu zu ordnen. Er gab den Menschen ein Zuhause, einen Ort, der nicht von dieser Welt war, das Reich Gottes,
zu dem ein jeder und eine jede gehörte, egal, was war und wo sie waren und wer sie waren. Jeder darf nach Hause kommen - jede und jeder. Weil alle ein Zuhause haben.

Deutlich wird das vor allem an der Szene, die kein Jesus-Film auslässt, wo Jesus den Tempel reinigt.. Hier geht es nicht darum, dass der Tempel durch Händler entwürdigt wird. Es ist der bildliche Ausdruck für die Wiederherstellung einer tieferen Ordnung, um die es geht.
Hier können wir nicht nur hautnah lernen, dass auch Gott ein Zuhause hat und in diesem Zuhause hat nichts anderes etwas zu suchen. Sondern wir können auch lernen, dass die Ordnung Gottes nicht die Ordnung der Händler ist.
Die Händler haben die Ordnung von Geben und Nehmen, und zwar in einem adäquaten Maße. Ich gebe dir 5 Äpfel, dann gibst du mir 5 Euro. Geben und nehmen. Ist es zu teuer, dann gehe ich weiter. Ist es erstaunlich günstig, dann nehme ich 10 Äpfel. Das nennt man Geschäft und das ist für Händler auch richtig so, so funktioniert Wirtschaft und so darf sie auch funktionieren. Es ist eine verlässliche Ordnung, wo klar ist, was passiert, wer welche Rechte hat, die man dann auch einklagen kann. Aber, und das ist eben der springende Punkt, so funktioniert die göttliche Ordnung nicht.
Und eigentlich wissen wir das auch. Wer meint, sich etwas im Himmel verdienen zu können, durch gute Werke, durch den Besuch von Gottesdiensten, durch das Studium der Bibel, der wird enttäuscht werden.
Wer meint, sich Gnade erarbeiten zu können und Schuldentilgung einfach durch Leistung zu erreichen - man nennt es auch Ablass - der wird, da bin ich sicher, enttäuscht werden. Gott ist kein Geschäftsmann und auch keine Geschäftsfrau. Und doch schleichen sich solche Vorstellungen leicht in unsere Gedanken ein - ich weiß es von mir selbst.
Man versucht durch Artigkeit, sich ein Guthaben anzulegen,
durch Verzicht etwas auf die hohe Kante bei Gott zu legen, das uns zugute kommen soll. Ganz subtil schleichen sich in unsere Beziehung zum Göttlichen wirtschaftliche Vorstellungen ein. Wir möchten es fassen, möchten für unser Gutsein etwas bekommen. Wäre ja auch komisch, da harrt man Jahre aus, erträgt so manchen schwachen Gottesdienst, erduldet die Schwächen der Kirche, spendet und lässt auch die Bettler an unseren Straßen nicht leer ausgehen. Und da soll mir am Ende nichts zugute gehalten werden? Soll ich wie alle anderen behandelt werden?


Es gibt keinen himmlischen Handel

Doch das Evangelium - fast egal wo man es aufschlägt, es führt uns immer wieder dahin zurück einzusehen:
Du hast nichts, als dich selbst,
kein Guthaben, das du durch Frömmigkeit angelegt hast,
keine Bonuspunkte, die du einlösen kannst,
keine Kundenkarte, die dir Prämien verspricht.
Am Ende stehen wir alle nackt da. Sind einfach nur Menschen, die versucht haben, Liebe zu leben und zu geben - mal mehr, mal weniger erfolgreich. Am Ende steht nicht die Abrechnung, der Klang der Registrierkasse, die uns sagt, was wir noch zu zahlen haben. Am Ende steht Gnade - für jeden und jede steht am Ende Gnade. Und diese Gnade ist herausfordernd und ist lösend zugleich.
Sie kann das Leben leichter machen, wenn wir wissen, dass unsere guten Werke einfach nur gegeben werden dürfen, weil wir sie geben wollen,
dass wir unsere Gebete einfach nur sprechen dürfen, weil sie uns guttun.
Wenn wir wissen, dass wir durch unsere Pilgerschaften, unsere Meditationen und Gottesdienste Gott nicht gnädig stimmen können, weil wir ihn nicht gnädig stimmen müssen, dann kann sich etwas lösen - erlösen. Das ist die Ordnung Jesu, die Ordnung, die er uns mitgegeben hat.

 
Wer nicht hat, sucht keinen Deal

Deshalb auch Jesu Vorliebe für die Armen und Sünder, für die Huren und die an den Rand Gedrängten. Sie hatten nichts, was sie in die Waagschale hätten legen können, nichts, was es ihnen erlaubt hätte, einen Deal mit Gott zu schließen. Sie konnten nur hoffen und bitten - mit leeren Händen - dass sie Erbarmen erfahren. Und vielleicht ist das auch eines der tieferen Geheimnisse der Fastenzeit: nicht sich klein zu machen, aber doch anzuerkennen, dass wir - egal mit welchem Bankkonto oder welchen Begabungen und spirituellen Erkenntnissen wir gesegnet sind - dass wir am Ende, wenn es darauf ankommt, in einer Reihe stehen mit allen anderen, ohne einen Cent in der Tasche. Das kann beunruhigen ganz gewiss, aber es kann auch befreien, es kann dazu führen, dass wir uns lösen können, dass wir lockerer werden und beginnen in ein Osterlachen zu verfallen, in das Lachen der Erlösten.


Gnade führt in die Freiheit

Aus dieser Freiheit zu leben, aus der Freiheit der Gnade, darum geht es. Und diese Freiheit führt zu einem Leben in Offenheit und in Sanftheit - vorbei das Berechnen, das Erhoffen, vorbei das Besser-sein-Wollen als andere, es ist sogar das Ende der Hierarchie, wo einige sich näher an Gott wähnen als andere. Auch das wäre ja reine Berechnung. Alles entsteht aus dem Moment der Güte und der Liebe und der Bereitschaft, die Kontrolle abzugeben. Die Kontrolle, die meint, wenn ich das tue, bekomme ich das. Das ist der Wunsch nach einer Kontrolle über Gott. Und genau das lehnt Jesus ab.

Eine Geschichte fällt mir dazu abschließend ein. Eine Ordensfrau war an Krebs erkrankt. Es war klar, dass sie daran sterben würde. Ein Journalist kam zu ihr, um sie zu ihrer Erkrankung und dem nahenden Tod zu befragen. Seine abschließende Frage war: "Schwester, Sie sind jetzt über 30 Jahre im Orden, haben nach den Geboten Gottes gelebt, jeden Tag gebetet und Gott jeden Tag in der Stille gesucht. Kommt Ihnen nicht die Frage in den Sinn, warum gerade Sie an Krebs erkrankt sind, wo Sie doch alles getan haben, was Gott will?" Die Schwester überlegte kurz und gab zur Antwort: "Sie fragen mich, warum gerade ich und ich frage sie: Warum nicht ich?"

David Damberg


das könnte Dich auch interessieren:

Schluss mit Bescheidenheit!

Schluss mit Bescheidenheit!

Kommentare

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Abonniere unseren Klosterbrief!

Der Klosterbrief kommt zweimal im Monat heraus und infromiert über unsere Klostergemeinschaft, unsere Veranstaltungen, Gottesdienste und gibt Impulse zum spirituellen Leben.
Datenschutzerklärung

>