01/03/2020

Viele Menschen sind in den letzten Tagen ein bisschen müder und schlapp, anders als noch vor wenigen Wochen. Und die Ursache dafür ist zumindest in der Meinung der meisten Menschen relativ klar: das graue Wetter. Tatsächlich bekommt unser Körper im Winter deutlich weniger Licht als im Sommer. Und unser Organismus reagiert sehr stark auf die Menge an Licht, die an unsere Augen und auf unserer Haut kommt.

Aus der Praxis sind mir die gleichartigen Reaktionen meiner Patienten wohl vertraut. Da kann es passieren, dass an einem Tag nahezu jeder Patient, der zu mir kommt, berichtet, dass er sich gerade müde und erschöpft fühlt. Und während ich es in jüngeren Jahren eher belächelt habe, wenn Menschen ihre Stimmung vorrangig mit dem Wetter erklären, kann ich dem mittlerweile immer mehr abgewinnen. Schon seit vielen Jahren kann die medizinische Forschung genau nachweisen, wie ein fallendes Licht auf die Hormonsteuerung unseres Körpers wirkt.

Licht schafft Rhythmus

Alles Leben auf der Erde ist räumlich, aber auch zeitlich organisiert und viele Vorgänge laufen rhythmisch ab. Zwei zentrale Rhythmen für jeden Organismus sind dabei der Tagesrhythmus, also die 24 Stunden, in denen sich die Erde einmal um ihre eigene Achse dreht, und die 365 Tage, in denen sich die Erde um die Sonne bewegt. So passen zum Beispiel viele Pflanzen ihre Überlebensstrategie an Tag und Nacht an. Sie öffnen ihre Blüten mit dem ersten Sonnenlicht. Dadurch wird ihr Nektar für Insekten erreichbar, die wiederum ihre Sammelflüge an den Rhythmus der Pflanzen anpassen und sie bestäuben. So sichern sie ihren eigenen Fortbestand und zugleich den der Pflanze. Das Beispiel zeigt, dass Organismen im Laufe der Entwicklung ihre innere Uhr immer wieder biologisch sinnvoll an äußere Rhythmen anpassen mussten. Diese Fähigkeit hat sich evolutionsbiologisch als Vorteil herausgestellt. Auch der Mensch hat ein genetisch verinnerlichtes Wissen über Zeiträume entwickelt.

So funktioniert zum Beispiel unser Körper nachts ganz anders als tagsüber. Zellen und Organe haben einen festen Rhythmus für viele Abläufe. Kurz vor dem Aufwachen steigen zum Beispiel die Körpertemperatur und der Blutdruck. Einige Zeit später produziert der Körper stimulierende Hormone. Denksportaufgaben und Gedächtnisleistungen können bei den meisten Menschen also am Vormittag zwischen 10:00 Uhr  und 12:00 Uhr am besten bewältigt werden. Zwischen 12:00 Uhr und 14:00 Uhr arbeitet die Magengegend am intensivsten, jetzt kann das Mittagessen gut verdaut werden, für den restlichen Körper steht allerdings nicht zu viel Energie zur Verfügung. Und so lässt sich der Ablauf über die ganzen 24 Stunden und über 365 Tage auch noch in viel größerer Differenzierung beschreiben. Immer reagiert der Körper auf das Licht und hat gelernt, aus dem Licht seinen Rhythmus zu bilden.

Sehnsucht nach Licht

Daran musste ich auch bei der Aufführung der Auftragskomposition „ascenso sin(π)“ in unserer Hauskirche denken: „Emitte lucem tuam“. „Sende Dein Licht aus,“ diese Bitte wurde viele Male wiederholt, bis sie am Ende in der Stille ausklang. Auch zu Zeiten, als die Menschheit weit entfernt von unseren heutigen medizinischen Möglichkeiten war, wurde Christus als die Sonne des Heils gefeiert: Christus als ein Licht, das dem Körper, also unserem menschlichen Leben Rhythmus und Orientierung gibt. Auch schon vor 2000 Jahren war den Menschen bewusst, welche Bedeutung das Licht auf den Körper hat und wie wichtig es für den Menschen ist, im Licht zu sein.

Komm ins Licht…

Gerade in diesen Tagen, wo das natürliche Licht weniger wird, ist es also wichtig, den Körper ins Licht zu bringen. Längst hat sich eine ganz eigene Industrie entwickelt, die von einer biologischen Lichtplanung für Gebäude und Arbeitsplätze ausgeht; es gibt Cronomediziner, die optimale Beleuchtungen für den Rhythmus unseres Körpers berechnen und untersuchen können. Aber das meiste Wissen zum Thema Licht ist in unseren Genen längst vorhanden. Dem Winterblues – oder auch dem SAD (Seasonal Affective Disorder), wie es die Mediziner benennen, können wir vergleichsweise leicht  entkommen. Spüre einfach in Deinen Körper hinein, wann Du mehr Licht brauchst. Gerade im Herbst und im Winter ist es wichtig, in den Zeiten, in denen es hell ist, wirklich ins Freie ans Licht zu gehen. Und manchmal ist es wichtig, neben allem Energiesparen, auch ein Licht mehr anzumachen.

Und wieder freue ich mich, von Dir zu lesen, wie es Dir mit den kürzeren Tagen und dem weniger werdenden Licht ergeht.  

Bruder Karl-Leo


das könnte Dich auch interessieren:

Ist alles gut?

Ist alles gut?

Kommentare

  • Eigentlich schade, dass der Mensch keinen Winterschlaf hält! Im Spätherbst einkuscheln und dem Frühling entgegenschlummern … 🙂
    Nein, im Ernst, ich denke, es ist grundsätzlich erst mal normal und physiologisch, dass das Energielevel im Winter etwas niedriger ist und es gilt, sich einfach ein bisschen darauf einzustellen.
    Ansonsten stört mich die winterliche Dunkelheit in den letzten Jahren viel weniger als früher, wo ich manchmal richtig nach hellem Licht gehungert und gedürstet habe.
    Trotzdem habe ich mir für diesen Winter vorgenommen, in der Mittagspause häufiger rauszugehen. Zuallererst, um dem Bürohocken etwas entgegenzusetzen und „frische“ (Stadt-)Luft zu schnappen, aber auch, um das hellstmögliche Tageslicht nicht zu verpassen.

  • {"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

    Abonniere unseren Klosterbrief!

    Der Klosterbrief kommt zweimal im Monat heraus und infromiert über unsere Klostergemeinschaft, unsere Veranstaltungen, Gottesdienste und gibt Impulse zum spirituellen Leben.
    Datenschutzerklärung

    >