Die wichtigste Lebensfrage

Die wichtigste Lebensfrage

Die Überschrift klingt vielleicht etwas anmaßend, mutig oder kühn. Gibt es das, die wichtigste Lebensfrage? Müssten es nicht mehrere sein – je nach Alter und Reife? Ja, kann man überhaupt für alle Menschen eine Frage als die wichtigste definieren? Wir sind doch alle irgendwie anders und unterschiedlich, da kann es kaum eine Frage geben, die bei uns allen einen gleich tiefgreifenden Effekt hat. Dem allen kann ich nur zustimmen und zugleich entgegnen, dass es dennoch Themen und damit auch Fragen des Menschen gibt, die uns alle miteinander verbinden. Es ist vielleicht so wie mit dem Lachen – jeder der Lachen hört, egal aus welcher Epoche und aus welchem Kulturkreis, wird dies als einen Ausdruck von Fröhlichkeit bewerten und nicht als bedrohlich (wenn man mal süffisante Formen beiseite legt). Und so gibt es auch Themen und innere Phänomene, die wir alle in uns tragen und die alle Menschen miteinander verbinden.

So bin ich darauf gekommen

Mir ist selber noch gar nicht so lange klar, was die wichtigste Frage Deines Lebens und natürlich auch meines Lebens ist. Aber als ich verstand, wurde mir sehr, sehr vieles klar und deutlich. Und immer wieder fühle ich mich bestätigt in dieser Erkenntnis, dass ein Grundparameter unserer Persönlichkeit, also unserer innersten Konfiguration, das Herzstück unserer Entwicklung ist – auch der spirituellen. Ich habe mich intensiv mit Persönlichkeitspsychologie auseinandergesetzt – habe neuropsychologische Bücher dazu gelesen, Fortbildungen besucht. Und da ist immer wieder ein Begriff aufgetaucht, der mich zu meiner Erkenntnis brachte, die ich hier mit Dir teilen will.
Wie lautet nun die wichtigste Lebensfrage?
Es ist diese:

Warum tust Du das?

Ich weiß, diese Frage klingt beim ersten Hinhören gewiss banal. Warum tust Du das? Das fragt man hin und wieder und bringt so meistens wenig wirkliche Erkenntnisse. Nicht selten ist diese Frage mit einem Vorwurf verbunden und bringt dadurch noch weniger Selbsterkenntnis. Deshalb ist es wichtig, diese Frage jetzt hier ein wenig zu sezieren. Fangen wir an.

Worum es hier geht, ist die Frage nach Deiner Motivation – das ist der Begriff, der mir beim Lesen und den Fortbildungen immer wieder begegnet ist. Motivation ist nichts anderes als Handlungsenergie. Wenn Du Dich dieser Frage stellst, dann erkundest Du, welche Energie Dich zum Handeln bringt, zu einer ganz bestimmten Handlung. Motivation ist zutiefst mit der Persönlichkeit verbunden und davon nicht zu trennen, ja ein Großteil der Persönlichkeitspsychologie ist nichts anderes als Motivationspsychologie. Hinter Deiner Handlungsenergie stehen Deine Bedürfnisse, das, was Du brauchst und das, was Du meinst zu brauchen. Eigentlich brauchen wir nicht sehr viel: Etwas Essen, Wasser, Luft, einen Platz, um uns niederzulegen. Das ist es, was Dein Körper von Dir will. Alles andere ist das, was Dein Geist möchte – und nicht unbedingt lebensnotwendig ist. Hier kommt Motivation ins Spiel.
Wenn Du Dich dieser Frage ehrlich stellst, dann wirst Du Stück für Stück erkennen, was Du wozu eigentlich haben willst und tun möchtest.

Ich zeige Dir Beispiele

Du gehst in die Stadt und gehst ohne lange darüber nachzudenken in ein Café oder einen Imbiss. Du hast vielleicht gar keinen Hunger, dennoch stehst Du nun da an der Theke und bestellst etwas. Warum? Du brauchst das nicht, hast vielleicht ausreichend gefrühstückt und Dein Magen sagt Dir: Alles in Ordnung, ich brauche nichts. Dennoch bestellst Du etwas. Hunger ist es nicht, was dann? Und genau an dieser Stelle wird es spannend, sehr spannend sogar. Warum bestellst du Dir einen Kaffee, ein Eis, eine Currywurst? Du wirst etwas davon haben: vielleicht ist es ein Trostpflaster, aber wofür? Und hilft es wirklich? Vielleicht spürst Du ein Unbehagen und möchtest Dich mit dem Verzehr ablenken, Dir das Gefühl geben, Dir etwas zu gönnen. Vielleicht spürst Du auch ein Ungenügen, das Gefühl, nicht so ganz in diese Welt zu passen, wie auch immer. All das sind Energien in Dir, die Dich dazu bringen etwas zu tun, was eigentlich mit Deinem Wunsch nichts zu tun hat. Eis macht nicht glücklich, sondern schlimmstenfalls dick, Kaffee tröstet nicht, sondern gibt für kurze Zeit eine Push und die Currywurst weiß von Deinen Fragen und Wehwehchen nichts und kann Dir auch nicht helfen – selbst wenn Du drei Stück isst. Dennoch versuchst Du mit Dingen Dein Leben zu bewältigen, die nichts anders als Placebos sind, als Ersatzstoffe.

Noch ein Beispiel. In der Meditation kommt es vor, dass man sich bewegt – nicht weil es irgendwo zwickt oder juckt. Man will sich durchs Haar streichen, das Gesicht in die Hände nehmen, die Hose glatt ziehen. Warum willst Du das? Was soll Dir diese Bewegung bringen? Wenn sie keinen Sinn, sprich: keinen Grund hätte, würdest du den Impuls zum Handeln (Motivation) nicht verspüren.

Den Geist erforschen

Und so kannst Du Dich mit der Frage „Warum tue ich das?“ selber intensiv erforschen. Es geht nicht darum, dass Du keinen Kaffee mehr bestellst, keine Currywurst mehr isst, nicht deine Hose glatt ziehst. Es geht darum, dass Du Deinen Geist erforschst, dass Du erkennst, wie Du funktionierst.
Zu einem spirituellen Leben gehört es ganz wesentlich dazu, sich zu kennen und seinen Geist zu erforschen Es sind die Sternstunden dieses Weges, wenn Du darin Fortschritte machst und Dich tiefer verstehst Wer sich nicht kennenlernen will, der kann keinen spirituellen Weg gehen. Die Meditation oder Kontemplation führt Dich zu einer radikalen Selbsterkenntnis – radikal heißt dabei nicht brutal, sondern im Sinne von intensiv. Du durchwanderst alle Schichten Deiner Persönlichkeit und lernst alle Motivationsstränge kennen. Und da gibt es viel, was nicht so sympathisch und nett wirkt, wie das, was Du üblicherweise nach außen trägst.
Aber das alles gilt es sein zu lassen, als Teil seiner Selbst zu erkennen. Man kann jede Motivation auch als einen inneren Persönlichkeitsanteil sehen, ihm in der eigenen Vorstellung sogar einen Namen und ein Gesicht geben. All diese Anteile willkommen zu heißen ist grundlegend für einen friedlichen Geist.

Motivation ist alles

Die meisten Psychotherapien arbeiten mit Motivationen. Die Psychoanalyse sucht nach dem Ursprung einer Motivation, die Verhaltenstherapie will die Motivation umlenken oder andere Motivationen setzen und so könnte ich weiter fortfahren. Wenn sich Menschen selber zum Rätsel werden, dann deshalb, weil sie nicht mehr verstehen, warum sie bestimmte Dinge tun.
Und der extreme Zustand ist der, dass man drunter gar nicht mehr leidet, sondern ein Mensch voller Automatismen ist, also rein reaktiv sich verhält und gar nicht mehr weiß, warum gerade das jetzt wichtig ist.

Die Frage “Warum tust Du das?” kannst Du natürlich auch anders formulieren: Was sind Deine Beweggründe? Aus welcher Energie heraus reagierst Du? Was motiviert Dich?
Aber genauso könnte man fragen: Welches Ziel steckt hinter dieser Handlung, was bezweckst Du damit?
Es könnte sein, dass Du erkennst, dass Du oft gar nicht zu Deinem eigenen Wohl oder dem der anderen handelst und reagierst, sondern Dich ständig selber sabotierst. Es könnte sein, dass Du erkennst, dass Du Dir Glück und Zufriedenheit mit Surrogaten, mit Ersatzstoffen versuchst zu schaffen, die Dich nicht wirklich sättigen, nicht wirklich das geben, was Du wirklich brauchst.
Es könnte sein, dass Du erkennst, dass Du weniger wirklich brauchst, weniger Essen, weniger Geld, weniger Klamotten und weniger Bücher.
Ich habe zum Beispiel einige Bücher in meinem Bücherschrank, die ich noch nie gelesen habe und es kommt vor, dass ich auch heute noch Bücher kaufe, die ich wieder nicht lesen werde. Das heißt doch, dass ich sie eigentlich gar nicht brauche und mich das Thema gar nicht wirklich interessiert. Und warum kaufe ich das: Vielleicht, weil ich das Wissen wenigstens besitzen will, weil es mir ein gutes Gefühl gibt, ein dickes Buch auf meinen Tisch liegen zu haben.

Warum lebe ich?

Ganz am Ende der Frage nach der eigenen Motivation steht übrigens die Frage: Warum lebe ich eigentlich, aus welcher Energie speist sich mein Leben, woher diese Kraft – die geistige wie die körperliche, woher und wozu bin ich da, was hat Gott motiviert, mich zu schaffen. Ja, auch Gott hat Motivation. Gott hat nur eine Motivation und das ist Liebe, direkte, fließende Liebe, die keine Umwege sucht, nicht durch Ersatzstoffe befriedigt wird, sondern immer nur direkt und unmittelbar.
Und wer all seine Motivationen kennt und durchlaufen hat, der kommt wohlmöglich zu dieser Liebe, der spürt in sich selber: Das, was mir Leben gibt, das, was mich in die Existenz brachte, was auf die Idee kam, mich zu schaffen, hat immer nur einen Grund und das ist Liebe.

Kannst Du meinen Gedanken und Erkenntnissen folgen und zustimmen? Vielleicht hast Du einen anderen Vorschlag, was die wichtigste Lebensfrage angeht?

Bruder David


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Kommentare

  • Das ist absolut großartig! Ich danke für diese wunderbare Erkenntnis!

    Zwar ist es, wie alles Geschriebene zu Anfang wieder nur eine innere Wegbeschreibung aber diesen Weg will ich gerne (mal) gehen. Interessant ist dabei schon der Anfang:
    Es gibt unendlich viele Startpunkte und das Ende kann nur ich selber erfahren, welches ich nicht kennen kann.

    Du hast Recht! Auch wenn es vielleicht nicht DIE Frage der Fragen ist…
    dann ist aber auf jeden Fall eine DER Fragen =)

    Ich bin zwar auch noch nicht so lange auf dem spirituellen Pfad … aber ich habe ihn betreten und weder kann noch möchte ich wieder zurück. Was ich bisher dabei so „erfahren“ habe poste ich auf meiner Facebook-Seite:
    https://www.facebook.com/derpfadzuminnerenfrieden/

    Wäre interessant zu erfahren, was du davon hältst?

    nochmal vielen Dank für das Teilen dieser Erkenntnis!

    Alexander

    • Hallo Alexander, danke für Deinen tollen Kommentar – es freut mich sehr, dass Dir mein Artikel so gut gefällt. Ich habe mir Deine Facebook Seite angesehen, es gefällt mir, was Du da machst. Was bedeutet es für Dich, auf dem spirituellem Pfad zu sein? Was heißt das? Gruß, David

  • Wow, sehr gut, dieser Beitrag. Macht mich nachdenklich und gibt mir Motivation über mich in diesem Sinne nachzudenken. Doch das tue ich bereits seit Jahren; auch mit professioneller Hilfe. Doch ich komme genau an diesem Punkt: „warum mache ich das?“ nicht weiter. Also nicht die Hilfe in Anspruch nehmen, sondern bei der Fragestellung im Leben. Ich habe seit rund 10 Jahren Angst, vor nicht definierbaren Dingen, Situationen, keine Ahnung, ich kann es ja gerade nicht benennen. Höhenangst, Klaustrophobie, da weiß man wo man ansetzen kann, doch wenn ich es eben nicht erkenne, was es ist. Keine Chance. Doch ich glaube das es irgendwann, irgendwie wieder besser wird. Und ich glaube das die Liebe der Schlüssel sein wird. Dafür. Und ich für mich die Frage beantworten kann, warum mache ich das, weil ich liebe.

    • Hallo Thomas, ich glaube, dass man die Angst wert schätzen muss, um sie lassen zu können. Erst, wenn sie in Dir sein darf ohne bekämpft zu werden, gibt es einen neuen Weg damit umzugehen und es beginnt, dass sie dich immer weniger beherrscht. Gruß, David

      • Hallo Thomas, ich selber habe auch vor längerer Zeit unter Angst und Panikattacken gelitten. Ich habe mich – der Angst und der Situation – mit Hilfe eines Arztes gestellt. Ich bekam immer wieder neue Aufgaben. Einkauf, Zugfahrt…

        Es war sehr anstrengend, aber auch ein ganz tolles Gefühl es geschafft zu haben.

        Ich wünsche Dir das Du es auch schaffst und möchte Dir Mut machen. Alles Liebe für 2017

        lg conni

        • Hallo Corinna, oder darf ich Conni „sagen“?
          Danke für Deinen Kommentar zu meinem. Ich freue mich, das es Dir wieder gut geht. Das Du es geschafft hast.
          Bei mir kommt übrigens noch ein Detail dazu, welches ich im ersten Kom. nicht nannte: Ich bin allein. Außer Mutter und Schwester habe ich niemanden. Außer beruflichen Kontakten ist da keiner. Seit rund 3 Jahren. Das macht die Sache glaube ich noch mal zusätzlich schwerer. Aber ich werde dran bleiben. Schon allein weil es Menschen wie Dich gibt die Mut machen. Die Beispiel sind, weil sie es geschafft haben.
          Liebe Conni, ich wünsche Dir ein richtig gutes 2017. LG Thomas

          • Hallo lieber Thomas,

            natürlich darfst Du Conni sagen.

            ich bin auch alleine. Ich habe 2011 meine beiden Eltern innerhalb 4 Wochen verloren.

            Wir schaffen das beide!!! Es ist sehr wichtig – gerade in solchen Situationen – sich Mut zu machen und sich gegenseitig zu unterstützen.

            Ich drücke Dir die Daumen dafür.

            Einmal geschafft, kommen die Angstattacken auch fast nicht mehr wieder. In etwas wackeligen Zeiten besucht mich die Angst ab und zu einmal, aber ich halt die Situation dann trotzdem aus und dann gehen sie auch schnell wieder.

            Nur Mut! Es ist wirklich zu schaffen.

            alles liebe und viel mut wünscht dir

            corinna

  • Hallo Bruder David,
    vielen Dank für Deinen Kommentar. Leider verstehe ich nicht was Du damit sagen willst. Ist mir ein wenig zu, hmm, abstrakt…

    Beste Grüße
    Thomas

  • Hallo Thomas,

    hier ein Gedicht von Rumi:

    „Das Gasthaus“

    Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus.
    Jeden Morgen ein neuer Gast.
    Freude, Depression und Niedertracht –
    auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit
    kommt als unverhoffter Besucher.

    Begrüße und bewirte sie alle!
    Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,
    die gewaltsam Dein Haus
    seiner Möbel entledigt,
    selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll.

    Vielleicht bereitet er dich vor
    auf ganz neue Freuden.
    Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit –
    begegne ihnen lachend an der Tür
    und lade sie zu Dir ein.

    Sei dankbar für jeden, der kommt,
    denn alle sind zu Deiner Führung
    geschickt worden aus einer anderen Welt.

    Vielleicht wird es jetzt klarer…
    Das schlimmste ist nicht unbedingt die Angst, die Wut oder was auch immer.
    Das Schlimmste ist, dass wir uns nicht erlauben ängstlich zu sein oder wütend.
    Stell Dir vor, Du würdest mit Deiner Angst liebevoll und mitfühlend umgehen und aufhören sie wegzuschicken?
    Stell Dir vor, Du würdest deine Angst an einen wunderbaren und heilenden Ort bringen können, wo sie alles bekommt, was sie braucht?
    Wäre es dann besser oder schlechter?

    Gruß

    Bruder David

  • Liebe Corinna,
    vielen Dank für Deinen Beitrag; und mein tief empfundenes Beileid für Deinen Verlust.
    Es gibt Parallelen bei uns beiden: ich habe meinen Vater auch 2011 verloren.
    Das Schlimmste was mir je passiert ist. Er fehlt mir so sehr.

    Lieben Dank für Deine mutmachenden Worte und Deine Zuversicht!

    Aufgeben gilt nicht. Das ist mein Leit(d)spruch 😉
    und die meiste Zeit schaffe ich es ja auch, nur manchmal, vielleicht auch
    gerade zu dieser Jahreszeit, da ist es schwer. Das kennst Du sicher auch.

    Sei weiterhin so mutig und stark! Ich bin es auch.

    Liebe Grüße
    Thomas

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