Bücher meines Lebens

10 Bücher meines Lebens

Für einen Mönch gehört es eigentlich dazu, auf dem Nachttisch immer mindestens ein Buch liegen zu haben. Das ist zumindest meine feste Überzeugung. Und ich meine jetzt nicht einen spannenden Krimi oder einen dicken historischen Roman, auch keine klassische Literatur.
Was ich meine sind Bücher, die philosophische, theologische oder spirituelle Themen berühren und mir helfen, mich damit intensiver auseinander zu setzen.
So kann ich für mein Leben sagen, dass an wichtigen Weggabelungen mich immer auch Bücher begleitet und nicht selten Entscheidungen vorbereitet haben. Sie haben mir Leben gedeutet, mich zum Nachdenken angeregt, mich berührt, Sehnsucht geweckt und ein Bild von Zukunft, von Gott und von dem, was danach kommt, entworfen und für möglich erklärt.
Ja, ich brauche Bücher – noch immer. Auch wenn ich bei weitem nicht mehr so viel lese wie früher. Es gibt so wenig wirklich Neues in diesen Themenfeldern.

Ich möchte Dir hier meine zehn Bücher vorstellen, die mich bewegt haben, die mir an wichtigen Abschnitten meines Lebens treue Begleiter waren und die mir halfen, mein Leben zu gestalten. Es sind Bücher meines Lebens und wenn ich die Liste durch schaue, dann liest es sich für mich wie eine Biografie – ich kenne ja auch die Lebensereignisse, die dahinter standen.

Hier also meine Liste mit einigen Erläuterungen dazu:

Henri Nouwen: Ich hörte auf die Stille

Dieses Buch begleitete mich auf dem Weg meines Eintritts ins Kloster. Es sind die Tagebuchaufzeichnungen des Autors während seines mehrmonatigen Aufenthaltes in einem Trappistenkloster in den USA. Ganz ehrlich erklärt sich der Autor, beschreibt was er mit sich und den Brüdern erlebt und zeigt so von Tag zu Tag ein mich faszinierendes Bild des mönchischen Lebens auf. Aus heutiger Sicht betrachtet ist es allerdings doch recht idealistisch.
Auch wenn ich kein Trappist geworden bin und sein möchte – die Grundzüge monastischen Lebens werden in nur wenigen Bücher so klar und deutlich und so berührend erzählt.

Luise Rinser: Bruder Feuer

Wenn es ein Buch gib, das meinen Weg wirklich beeinflusst hat, dann ist es dieses kleine Buch von Luise Rinser. Sie ist heutzutage mehr oder weniger in Vergessenheit geraten, war aber zu meiner Jugendzeit sehr bekannt. Sie erzählt hier die Lebensgeschichte des Franz von Assisi. Auch hier, wie bei meinem ersten Buch, wird ein Ideal sehr deutlich und unverstellt beschrieben. Und man kann nur nachvollziehen, warum diesem Franz so viele Menschen gefolgt sind. Es liest sich schnell, aber der Inhalt wird Dich nicht so schnell wieder loslassen.

Karlfried Graf Dürckheim: Mein Weg zur Mitte

Während meines Studiums bin ich auf Karlfried Graf Dürckheim gestoßen. Seine Initiatische Therapie, die den Menschen wieder zurück zu seinen spirituellen Wurzeln führen möchte, hat mein Leben verändert – hat mich verändert. Zweimal im Monat bin ich während des Semesters zu einer Aquarell-Gruppe gegangen und habe je zwei Bilder gemalt: unglaublich, wie mich diese Zeit geprägt hat. Regelmäßig nahm ich Einzelstunden, machte Seminare mit und las Bücher von und über Dürckheim – wie das hier erwähnte.
Das Buch ist ein Interview, wodurch es sich leicht und flüssig lesen lässt, und Dürckheim beschreibt hier nicht nur seinen Lebensweg, sondern auch seine Entdeckungen und seine Lehre. Hier erfährt man viel über menschliche Entwicklung und spirituelle Reife.

Bert Hellinger: Anerkennen, was ist

Bert Hellinger ist ein umstrittener Psychotherapeut, der einen sehr eigenen und gewiss in manchen Fragen auch grenzwertigen Weg gegangen ist. Aber niemand hat Seele bisher so verstanden wie er, niemand hat Rituale, innere Räume und Bewegungen sichtbarer und verständlicher gemacht. Seiner Arbeit verdanke ich sehr, sehr viel. In schweren Stunden meines Lebens waren es seine Einsichten, dir mir Stütze waren. Dieses Buch ist ein Interview. Es geht wie immer bei Hellinger um Leben und Tod, Beziehung und Trennung, Generationen, Träumen… um alles, was Leben auf seiner existentiellen Ebene ausmacht.

Colin C. Tipping: Ich vergebe

Es war schon immer so, dass mich Situationen immer sehr berührt haben, wo Vergebung geschah. Nicht ein billiges „Sorry“, sondern wo jemand wirklich Schuld auf sich genommen hatte und ihm wurde verziehen. Sowas geht nicht leicht und schnell, wenn es aber geschieht, dann sind das Sternstunden der Menschlichkeit. Tipping lehrt hier wie man endlich damit aufhört, andere für sein Schicksal zu Verantwortung zu ziehen. Er dreht den Spieß um: Es sind nie die anderen, Du bist es immer selber. Er zeigt auf, wie andere zum Lehrer unseres Lebens werden können, dass nichts umsonst und nur zufällig geschieht. Entschlüssele Dein Leben und Du wirst sehr viel lernen. Ich habe viel gelernt – und bin noch dabei.

Roland Kachler: Meine Trauer wird Dich finden

Nicht nur dieses Buch habe ich gelesen sondern ich habe zusätzlich zwei Seminare bei Roland Kachler besucht. Sein Umgang mit Trauer ist so wohltuend, so mitgehend. Kachler achtet in dem Buch und seinen Seminaren Trauer und Liebe wie wenige andere. Er beschreibt, dass Trauer Liebe ist und dass diese trauernde Liebe nicht in Stufen verläuft, sondern eine ganz eigene Bewegung hat. Manches wiederholt sich und braucht vor allem Zeit. Man lernt die Trauer als Gast zu betrachten, der uns immer wieder besucht. Denn Trauer endet nie, sondern will immer wieder zu uns zurückkehren und tut es auch. Wenn wir sie dann wie einen Gast behandeln, können wir anders damit umgehen.

Silvia Ostertag: Erleuchtung und Alltag

Leider ist Silvia Ostertag schon länger tot – ich wäre ihr gerne begegnet. Sie war eine bedeutende Zen-Lehrerin in Deutschland. In diesem Interview wird sie nach ihrem Lebensweg und ihre Einsichten hinsichtlich der Meditation befragt. Sie beschreibt in dieser klaren Einsicht, die wohl nur die Zen-Meditation schenkt, wie der Mensch sich entwickelt, was Meditation heißt und bedeutet und was in der Meditation geschieht. Wer sich für Meditation interessiert: dieses Buch ist lesenswert, aber es ist keine Anleitung, sondern eben ein Interviewbuch.

Jack Kornfield: Meditation für Anfänger

Es ist ein kleines Buch mit wenigen Seiten, dafür gibt es a aber eine CD dazu. Hier beschreibt der Meditations-Lehrer Jack Kornfield, wie man vorgehen muss, wenn man meditieren möchte. Er lehrt die Formen der Meditation, die auch in den achtsamkeitsbasierten Verfahren (MBSR) gelehrt werden. Es geht also nicht so sehr um Spiritualität, sondern um innere Klarheit und Mitempfinden. Wer also eine Anleitung sucht: hier ist eine. Die CD ist sehr gelungen. Manchmal nutze ich sie, Jack Kornfield möge mir verzeihen, um mich schneller zu entspannen oder Müdigkeit zu überwinden. Die Stimme darauf ist sehr angenehm.

Richard Rohr: Pure Präsenz

Ich habe lange Zeit keine christlichen Bücher lesen können, weil sie keinen Mehrwert brachten oder sich wiederholten. Früher schon hatte ich Bücher von Richard Rohr gelesen, hatte ihn aber dann aus den Augen verloren. Dieses Buch hat mich sehr beeindruckt. Er spannt einen guten Bogen zu der Weisheitslehre, die in allen Religionen zu finden ist – auch im Christentum. Manchen seiner Kritiken kann ich gut folgen. Hier wird eine Theologie entworfen, die ich spannend und interessant finde, was ich auf dem Buchmarkt ansonsten weniger sagen kann. Es ist ein Buch für Mystiker und an Meditation Interessierte. Unbedingt lesen!
Tja, das waren schon zehn Bücher, und dennoch will ich ein elftes nennen, es geht nicht anders – sozusagen als Bonus:

Matthew Fox: Der große Segen

Leider hat Matthew Fox Schwierigkeiten mit der Glaubenskongregation und seinem Orden, den Dominikanern erhalten. Er verließ Orden und Kirche – leider. Fox entwickelte die Schöpfungsspiritualität, die er in diesem Buch darstellt. Es geht also um eine Spiritualität, die nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellt, sondern die Schöpfung. Hier beschreibt er sehr ausführlich, mit zahlreichen wunderbaren Zitaten gespickt, seine Idee der Schöpfungsspiritualität. Ich habe beim Lesen oft gedacht: Ja, so sehe ich es auch, endlich sagt es einer. Für mich ist dies das spannendste theologische Buch der letzten Jahre. Da ich aber kein Theologe bin und mich regelmäßig mit Theologie beschäftige, ist diese Aussage mit Vorsicht zu genießen.
So, das war es aber dann.
Und jetzt Du: Was sind die Bücher Deines Lebens?

Bruder David


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Kommentare

  • Lieber David,
    es ist interessant und spannend, Deine Biografie anhand Deiner Bücher zu verfolgen.
    So wichtig die Begegnungen mit anderen Menschen sind, so unersetzlich ist es für MenschenMönche in und außerhalb der Klöster mit Büchern sich auf den inneren Weg des Lebens zu machen. Auf den Weg zu sich selber (“erkenne dich selbst”) und auf dem Weg zum göttlichen Geheimnis, zum lebendigen Gott, zum auferstandenen Christus.
    Wenn ich dabei in mein Bücherregal schaue, kann ich so wie Du, diesen meinen Weg stets vor Augen haben.
    Begonnen hat die Reise mit Hermann Hesse und seinen Ent-wicklungsromanen “Steppenwolf”, “Narziß und Goldmund” und “Das Glasperlenspiel”.
    Dann kam Seneca, der weise stoische Philosoph aus dem alten Rom mit seinem Weg der Offenheit für Gott und die Menschen, in Gelassenheit, Freiheit und Liebe.
    Dann kam als Initialzündung für meinen Weg mit den Klöstern im Geist der Mystik
    “Die dunkle Nacht” von Juan de la Cruz, dem spanischen Mystiker, der für mich noch heute einer der freiesten Männer dieser Erde war, ganz losgelassen vom Hängen am Vergänglichen und ganz frei aufgegangen in der lebendigen Gottes-Beziehung.
    Dann kamen für mich eher psychologisch-spirituelle Bücher:
    “Der Weg des Künstlers” von Julia Cameron, ein Arbeitsbuch zum Wecken von in uns schlummernden kreativen und spirituellen Potentialen.
    “Das Enneagramm” von Richard Rohr, wo ich mich so genau wiedergefunden und verstanden erlebt habe nach meinem Klosteraustritt, dass es befreiend und wohltuend erschreckend war.
    “Drei Fragen” von Jorge Bucay, einem lebensfrohen Psychotherapeuten aus Argentinien, der sehr lebenserfahren, mit weitem, offenen Geist den Weg der Erkenntnis des eigenen Weges beschreibt, und das alles mit wundervollem Humor.
    Und in letzter Zeit waren und sind es wieder zwei Bücher mit christlicher Mystik, die meinen alten und immer neuen Weg der Liebesbeziehung mit Gott markieren:
    “Unterredungen mit den Vätern” vom ägyptischen Wüstenvater Johannes Cassian, der vor fast 1200 Jahren schon die inneren psychischen Prozesse mit einer Genauigkeit berschreibt, die mich stark beeindruckt hat.
    “Meditationen und Gebete” von Wilhelm von Saint-Thierry, dem Zisterzienserabt aus dem 12. Jahrhundert, der unglaublich ehrlich seine Licht- und Schatten-reichen Erfahrungen mit Gott beschreibt und der, ganz in guter Zisterziensertradition die Sehnsucht nach Gott und die Liebe zu Gott in den Mittelpunkt stellt.
    Das sind für mich mit die wichtigsten Bücher meines bisherigen Weges, die umrahmt sind von unzählig vielen anderen Büchern, Seminaren, Exerzitien und den immer wichtigen menschlichen Begegnungen.
    Verbunden auf dem e i n e n WEG zu uns selber und zu Gott grüße ich Dich herzlich mit pace e bene aus Berlin
    michael
    🙂

  • Sehr interessant. Einige der Titel stehen bei mir auch ganz oben auf der Liste. Andere sind mir unbekannt… Danke für die Anregung! 🙂

    Herzliche Grüße
    t.s.

  • Lieber David, nachdem ich mich neulich von vorne bis zur Hälfte durch das Blog geklickt habe, war ich nun auf der Suche nach dem Beitrag zur Heldenreise und habe auf der letzten Blogseite begonnen…und dann immer weitergeklickt. Das ist eine spannende und beeindruckende Bücherliste Deines Lebens! Und mir geht es nicht im mindesten schlecht, wenn ich sage, da kann ich gar nicht mithalten 🙂 ! Ich habe in der Schule noch Griechisch gelernt, und das Höhlengleichnis im Original gelesen, aber aus mir wird trotzdem kein Philosoph, ich liebe dagegen Grammatik und wie man in einer Sprache etwas ausdrücken kann. Ich freue mich eben, wenn es jemanden wie Dich gibt, der solche Bücher dann in anderer Form für mich “übersetzt”. Und ich mag ja Kinderbücher – und ist es nicht durchaus auch spirituell, wenn es in “Mole’s Sunrise heißt: “Mole was blind, but at last he’d seen the sunrise. He didn’t see it with his eyes; he saw it in his mind. And it was even more beautiful than anyone could imagine.”
    Wenn man Bücher des Lebens so interpretiert, die ich immer wieder lese: Zur Vergebung fällt mir eine Erzählung von Rudolf Otto Wiemer ein (den man wohl am ehesten für sein Gedicht Die Engel – Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein kennt), sie heißt Der Mann am Feuer, in der ein Mann nach dem Krieg einem ehemaligen Kapo wieder begegnet.

  • Und hier noch ein paar weitere Bücher oder Erzählungen, die mich begleiten, aber auf den ersten Blick keine spirituelle Literatur sind (aber zumindest für mich):
    Otfried Preußler – Krabat, sozusagen aus dem Bereich der Sagen und Märchen.
    Eva Demski – Gartengeschichten – es ist die genaue Beobachtungsgabe, die mich an diesem Buch so fasziniert.
    Theodor Storm – In St. Jürgen. Lese ich jedes Jahr, wenn die Schwalben wegziehen. Erinnert einen an die Vergänglichkeit.
    So, und weil ich heute frei habe und mich natürlich trotzdem brennend für alle Arten von Büchern interessiere, bestelle ich jetzt gleich mal das von Luise Rinser 🙂

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