So wirst Du zum Mönch!
Zunächst möchte ich mich noch für die zahlreichen Rückmeldungen zu meinem ersten Artikel zum Thema: “Mönch in der Welt” bedanken. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht mit soviel Kommentaren, Mails und Fragen gerechnet. Leider ist ein Teil der Kommentare durch einen technischen Defekt, den wir vor einigen Wochen hatten, verloren gegangen.
Eure Reaktionen haben mich ermutigt, an diesem Thema weiter zu arbeiten, und so kann ich Dir heute wieder einen neuen Artikel präsentieren.
Wichtiger noch als die konkreten Verhaltensweisen und beobachtbaren Handlungen eines Mönches in der Stadt ist seine Haltung. Ich habe dazu auch schon mal etwas geschrieben.
Es ist meine feste Überzeugung, dass es vor allem um eine ganz grundlegende Haltung geht, die ich Dir gerne heute vorstellen möchte.
Was ist Phänomenologie?
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Philosophie in eine Krise geraten. man war sich im Grunde nicht mehr sicher, ob sie so in der Form überhaupt noch existieren und Erkenntnis generieren kann. Die gerade entwickelte Psychologie breitete sich aus und übernahm offensichtlich manche Themenbereiche der Philossophie – gerade auch, weil sie sich stark naturwissenschaftlich verstand.
Edmund Husserl gelang die Lösung und brachte der Philosophie den notwendigen nächsten Schritt. Sein Wahlspruch war: Zurück zu den Dingen und damit weg von allem Spekulativem. Er begründete eine neue Form der Erkenntnis, die er Phänomenologie nannte. Natürlich baute er auf viele andere Philosophen vor ihm auf. Doch er war es, der die Phänomenologie in ihrer Form begründete.
Was ist nun darunter zu verstehen und was hat das mit unserem Thema zu tun?
Die Phänomenologie ist eine Erkenntnisform. Ihre Grundlage besteht darin, die Dinge zu beobachten, wie sie uns ins Bewusstsein dringen. Dieses Beobachten aber geschieht in der Phänomenologie unter der Permisse, alle vorherigen Urteile und alles vorherige Wissen soweit wie möglich auszuschalten. So kann es danach gelingen, die Dinge ganz neu zu verstehen. So erschließen sich einem durch eine derartige Beobachtung die Dinge ganz neu und es eröffnen sich neue Erkenntnisse. Martin Heidegger hat das in seinem Buch “Sein und Zeit” sehr schön, wenn auch komplex, beschrieben. Er schreibt dort von einem Hammer oder in einer seiner Vorlesungen beschreibt er seinen Katheder an dem er sitzt, der sich für ihn ganz anders darstellt als für seine Studenten. Zunächst ist ein solches Möbelstück ein Kasten aus verschiedenen braunen Flächen, diese Flächen formen sich uns im Bewusstsein zu dem, was wir Katheder nennen. Husserl wie Heidegger beginnen sozusagen beim Einmaleins, um dadurch zur Vektorrechnungen zu kommen.
Zeuge sein
Ich glaube, dass der Mönch in der Welt ähnlich verfahren sollte. Er sollte ein Beobachtender sein, beobachten ganz ohne Urteil, alles vorherige Wissen über Bord werfen, um ganz und gar Wahrnehmender zu sein. Man kann diese Haltung auch meditativ oder kontemplativ nennen. Immer geht es um das Beobachten ohne Urteil, in der reinen Wahrnehmung zu bleiben, um tiefer zu verstehen.
Man kann in diesem Zusammenhang auch von Zeugenschaft sprechen, die dem Mönch in der Stadt zukommt, Zeuge des Daseins sein, wie es sich zeigt – in der ganzen Erbärmlichkeit, Größe, Demut und Grausamkeit. Es gilt, Zeuge zu sein für das Suchen der Menschen, das sich Bahnen sucht in all den Alkoholexzessen und psychischen Erkrankungen, denen man in der Stadt begegnet.
Zeuge zu sein für all die Einsamkeit und all das Suchen nach Partnerschaft, erfüllender Erotik und nach Freundschaft.
Zeuge zu sein für die Suche nach Erfolg und Gewinn, nach Besitz und Eigentum.
Zeuge zu sein für die Vergeblichkeit, den Verlust und die Niederlage.
Mönche in der Stadt sind Zeugen und keine Moralapostel, sie sind Wahrnehmende und keine Richter – auch wenn es genügend Phänomene in der Stadt gibt, wo auch der Mönch Grenzen setzen und Ablehnung kundtun muss.
Der Mönch in der Stadt weiß, dass all diese Phänomene letztlich ihre Wurzeln in der Sehnsucht nach etwas Unermesslichem hat, dass all die Drogen, wie immer sie gerade heißen mögen, letztlich die Suche nach Großem und Vollem ist.
So kann man den Mönch in der Stadt ebenso dort finden, wo Menschen scheinbar ohne Moral leben und arbeiten, wo Frauen sich feil bieten, wo das Geld in der Stadt sein Zuhause hat, wo Flüchtlinge unter sich leben und Villen die Straßen säumen, wo Kinder im Dreck spielen und Skater ihre Bahnen ziehen, wo Tauben nach Futter suchen und wilde Katzen herumstreunen, wo Sprayer ihre Tags zeichnen und Obdachlose sich sammeln. Für den Mönch in der Stadt gilt es, soviel wie möglich wahrzunehmen und Zeuge von der ganzen Bandbreite des Daseins zu sein – ohne Urteil, denn zwischen dem Elend und uns, zwischen dem Verbrecher und mir, zwischen dem Betrunkenen und Dir ist nur eine ganz schmale Grenze, eine Grenze die schnell überschritten sein kann. Es ist purer Zufall, oder Glück oder Gnade, dass Du auf dieser Seite der Grenze lebst.
Von der Wahrnehmung zur Kontemplation
Das ist wahre Kontemplation, die nicht bei der halben Stunde Schweigen oder mehr stehen bleibt, sondern die Realität in den Blick nimmt und die Stadt als Ort der Kontemplation versteht.
Die Stadt ist der Ort der Kontemplation, ist der Ort des Suchens und Irrens, der Erkenntnis und des Wartens. Es gibt genügend Menschen, die verurteilen, die die Nase rümpfen – auch in der Kirche – es gibt genügend Menschen, die Distanz halten. Vielleicht gibt es nicht genügend Menschen, die helfen, aber der Mönch in der Stadt ist zuerst nicht einer der hilft, sondern einer der sieht, der wahrnimmt und sich dem aussetzt, was sich ihm ins Bewusstsein drängt.
Mönchsein war immer auch ein Weg der tieferen Erkenntnis – nicht umsonst wurde das erste Kloster Benedikt von Nursias mit der alten Akademie verglichen. Und Benedikt selbst beschreibt sind Kloster als Schule des Herrn.
In der Offenheit für die Phänomene der Stadt – egal für welche – kann sich dem Mönch die Göttlichkeit offenbaren und zeigen, kann sich eine tiefe Erkenntnis Bahn brechen, eine Erkenntnis, wie sie Husserl gewiss nicht gemeint hatte, aber ebenso wichtig ist, dass Gott tatsächlich in allem gegenwärtig ist oder, anders ausgedrückt, dass es im letzten Grund keinen Unterschied gibt zwischen den Menschen in den Vorstadtvillen, den Postituierten und ihrer Freier in der Nähe des Bahnhofs und den Mietshäusern in der Nähe der Industrien. Überall ein Suchen und überall die gleiche Vergeblichkeit und die gleiche Erfüllung.
Und mittendrin steht der Mönch.
Kannst Du mit meinen Gedanken etwas anfangen? Mich würde wirklich interessieren, was Du dazu denkst.
Lieber David,
schön, was Du über das MönchSein in der Stadt schreibst.
Es erinnert letztlich im Wesentlichen auch an die Art des Mönch/MenschSeins der Wüstenväter und der weisen Meister des Ostens. Immer geht es um das Einüben der Wahrnehmung von Wirklichkeit, so wie sie ist. In uns selbst und um uns herum. Und alles ohne Bewertung, ohne Zuschreibung würde wohl Buddha sagen. Und je mehr man sich in der puren Wahrnehmung übt, ob an der Ampel mitten im Lärm der Großstadt, ob im Altenheim mitten unter Kranken, Demenzkranken, Sterbenden, ob in der U-Bahn. Sobald man die Bewertung loslässt ahnt man das Leben in seiner ganzen Durchsichtigkeit auf die tiefe Sehnsucht hin, die in allen Menschen verborgen gegenwärtig ist und sich in all unserem Tun mal mehr und mal weniger zu erkennen gibt. Und man kann bei dieser durchsichtigen Wahrnehmung immer auch Gott auf seltsame Weise ahnen. Einen so unreligiösen,unkirchlichen Gott, fern der schönen Formen,die auch ihre Wichtigkeit für uns haben, die aber Gott nicht fassen können.
Es ist immer eine Freude, zu entdecken, dass es immer wieder, auch mitten in unserer modernen Gesellschaft, Menschen gibt, die das Leben so ungefiltert und unbewertet wahrnehmen wie die alten Meister in der Wüste, in den Klöstern und Tempeln dieser einen Erde..
Ja, schön hast Du das beschrieben, was Mönchsein ist, was es sein kann, auch heute, auch in den Städten, auch ohne traditionelle Formen.
Herzliche Grüße von Berlin nach Hannover
von michael
🙂
Manchmal denke ich, dass dort inmitten der Stadt und des Trubels das eigentliche Mönchtum gelebt wird oder werden könnte. Die Wüstenväter haben uns mehr zu sagen als manche theologischen Diskussionen und kirchlichen Fragen. Die pure Dogmatik öffnet in der Regel nicht das Herz, es sind die Pragmatiker und die Erfahrenen aus der Wüste, die uns einen weg weisen. Gruß, David
Aber wo trifft man diese Menschen?
…die trifft man im ganz normalen Leben, wenn es das Leben so will 🙂
aber meist leben sie wohl eher unerkannt und still wie die Wüstenväter im Kellion in der Wüste…
Hier zum Beispiel und wir haben viel Resonanz bei Facebook erhalten – wenn auch sehr unterschiedliche. Es lohnt sich zu suchen und zu warten. Gruß, David
Danke für diese beiden Artikel und die vielen guten Kommentare!
In mir stößt das gerade diverse Fragen an, die mich in der einen oder anderen Form schon länger bewegen. Und die ich hier mal anreiße.
Ich schätze die Cella übrigens auch und nicht zuletzt als dauernde Herausforderung an mich, wieviel geistliche/klösterliche Struktur und Haltung in einem „normalen“ Alltag möglich ist, als Anfrage an meinen eigenen Lebensstil und meine Schwerpunktsetzung.
Wie verhält sich ein solches wie in den Artikeln und Kommentaren beschriebenes verborgenes Mönch (oder Nonne) sein zu äußeren, verbindlichen und gemeinschaftlichen Formen? Braucht es nicht als Voraussetzung für „Teilformen“ Menschen, die das sichtbar in (relativ) klassischer Vollform leben, gerade auch in der Stadt, um anderen ein Zeichen zu sein, Alternativmodell, Hinweis auf und sichtbares Zeugnis für Gott? Die sich festlegen über ihre momentane Meinung und Einstellung hinaus?
Das eine Modell könnte das andere dann nicht ablösen oder ersetzten.
Was unterscheidet überhaupt so einen „Mönch in der Welt“ von einem Christen, der Nachfolge zu leben versucht? Unterscheidet sich „Mönch“ von „Christ“, wenn denn nicht durch die gewählte spezifische klösterliche Lebensform?
Und zum „Zeuge des Daseins sein, wie es sich zeigt – in der ganzen Erbärmlichkeit, Größe, Demut und Grausamkeit“ möchte ich gern ergänzen: Nicht nur Zeuge dieses Daseins der anderen, sondern genauso auch meines eigenen. Mit derselben freundlichen Offenheit und dem Verzicht auf Verurteilung. – Alles andere als leicht.
Und in wieweit kann oder darf ich überhaupt rein beobachtende Distanz halten?
—
… verbindlich und gemeinschaftlich, an diesen beiden Stichworten bleibe ich hängen.
Edit:
Das ist unklar formuliert: Unterscheidet sich „Mönch“ von „Christ“, „wenn denn nicht“ durch die gewählte spezifische klösterliche Lebensform? Gemeint ist: „außer durch“.
(Gern auch gleich in meinem Text ersetzen.)
Liebe Heike,
gute Fragen: worin unterscheiden sich Christ und Mönch, und Mönche im Klostet und ein Mensch mit dem Mönch in sich ohne Kloster?
Die Antworten sind so einfach wie schwierig. Schwierig auch, weil sie schnell als bewertend empfunden werden könnten.
Ich versuche es trotzdem.
Christen gibt es (noch) viele. So wie es weltweit viele religiöse Menschen gibt, eingebunden in viele verschiedene Traditionen.
Religiös sein heißt dann oft: ich vertrete eine fertige Lehre, eine formulierte Theorie, eine vorgegebene Moral und praktiziere mehr oder weniger oft die dazu gehörigen Rituale, die ja vor allem auch gemeinschaftsstiftend sind.
Das kann sich sozial gesehen durchaus positiv auswirken und gibt diesen Menschen auch Halt und Zugehörigkeit im Leben. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen.
Dem Mönch im Kloster oder dem Mensch mit dem Mönch in sich geht es aber doch noch um etwas anderes, so sehe ich es jedenfalls. Und dabei kann man auch den oft zitierten Satz anklingen lassen von Karl Rahner: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein.“
Ich glaube in unserem Zusammenhang kann man Mönch und Mystiker durchaus vergleichen. Der Mystiker macht Erfahrungen mit Gott, er lebt in lebendiger Beziehung zum lebendigen Gott. Er lässt sich jeden Tag immer wieder durch das ganze Leben in Frage stellen, sich selbst, seine Motive für sein Handeln, auch sein religiöses Handeln. Und er lässt auch immer wieder seine schönen alt vertrauten Theorien von Gott und vom richtigen Glauben von diesem unverfügbaren sehr lebendigen Gott durch alles was er im Leben erlebt in Frage stellen.
Und er lässt in letzter Konsequenz auch Gott um Gottes Willen immer wieder los, wie das die alten Mystiker sagen.
Die Mönche und Mystiker finden genauso wie Buddha unter dem Bodhibaum auf dem Weg der Erleuchtung nirgends anders Halt in dieser vergänglichen Welt als in diesem nicht verfügbaren Geheimnis, das wir Gott nennen und dass sich Buddha im Zustand der Erleuchtung nicht einmal mehr getraut hat überhaupt irgendwie zu benennen. In unserer abendländischen biblischen Tradition haben wir, Gott sei Dank, den unverschämten Mut, dieses Geheimnis dann doch bei einem Namen zu nennen. Und werden dann auch gleich immer wieder durch die UrErfahrung Israels ermahnt, uns kein Bild von Gott zu machen. Die Spannung müssen wir ein Leben lang aushalten: zum einen brauchen wir als menschliche Geschöpfe erst einmal ein Bild, einen Namen, um uns Gott überhaupt zuzuwenden. Zum anderen müssen wir auf dem Weg zu einem reifen Mensch-Mönch-Sein diese Namen und Bilder immer wieder loslassen. So wie wir als Voraussetzung dafür ja auch alle Bilder und Identitäten von uns selbst immer wieder loslassen müssen, da keine davon auf Dauer unser kleines unausschöpfliches Menschsein erfassen können.
Auch dafür reicht kein Begriff, kein Name, kein Bild aus.
Wenn man sich also nicht mit fertigen Theorien, fest gefügten Religionen zufrieden gibt, wenn man sich immer wieder auf einen inneren Weg macht zu sich selbst, zum Leben, zum Schöpfer allen Seins, dann darf man sich vorsichtig Mönch nennen und meint damit wohl nichts anderes als das, wie man die ersten Christen genannt hat: die vom WEG, die unterwegs sind.
Dann kann man den Menschen, den Mönch durchaus auch Pilger nennen.
Und merkt dabei, auch dies sind halt alles nur Versuche etwas zu benennen, wo man öfter lieber schweigen sollte. Das wird dem Geheimnis des DaSeins oft mehr gerecht.
Leben zwischen Schweigen und Reden, zwischen Worten und stiller Meditation, zwischen alten und neuen Formen.
In diesem Sinne wünsche ich Dir einen guten Weg zu Dir selber mit
pace e bene
von michael
🙂
>Ich glaube in unserem Zusammenhang kann man Mönch und Mystiker durchaus vergleichen. Der Mystiker macht Erfahrungen mit Gott, er lebt in lebendiger Beziehung zum lebendigen Gott. Er lässt sich jeden Tag immer wieder durch das ganze Leben in Frage stellen, sich selbst, seine Motive für sein Handeln, auch sein religiöses Handeln. Und er lässt auch immer wieder seine schönen alt vertrauten Theorien von Gott und vom richtigen Glauben von diesem unverfügbaren sehr lebendigen Gott durch alles was er im Leben erlebt in Frage stellen.
Und er lässt in letzter Konsequenz auch Gott um Gottes Willen immer wieder los, wie das die alten Mystiker sagen.<
Lieber Michael,
das hast du schön beschrieben.
Und deshalb hatte ich 'Christ' vorsichtig mit 'Nachfolge' ergänzt. Ja, es ist schwierig, und es ist ein schlüpfriges Pflaster, wenn man versucht, zwischen so'nen und solchen Christen eine Unterscheidungslinie zu definieren.
Mal abgesehen von dem Graben zwischen wollen und erreichen, der sicher nicht einfach zwischen Mönchen und Nicht-Mönchen verläuft, sondern mitten durch die meisten Menschen hindurch.
Und Gottes Maßstäbe mögen gleich wieder ganz anders messen …
Eigentlich verstehe ich dich so, dass du bei dieser Beschreibung zwischen denen, die unterwegs sind in Richtung auf den lebendigen Gott so gut sie können ('die mit Ernst Christen sein wollen'), keinen grundsätzlichen Unterschied siehst, abgesehen von unterschiedlichen Lebensformen.
Ja, liebe Heike, die Unterschiede, die Widersprüche sind in uns allen drin.
Und das Ziel für mich selber ist dabei nicht das Christsein oder religiös sein, sondern das einfache Menschsein, soweit es mir gegeben ist, dies zu realisieren.
Mein Lehrer dabei oder wie der englische Benediktiner Laurence Freeman so gut sagt, mein Guru ist seit vielen Jahren immer wieder und immer wieder neu Jesus, der Christus, der große Menschheitslehrer der westlichen Welt. Das nimmt den anderen Lehrern, den anderen Weisen dieser e i n e n Erde nicht ihre je eigene Bedeutung.
Dabei ist es wohl gar nicht so sehr wichtig, wie weit der einzelne Mensch auf seinem je eigenen Weg bis zur großen VerWandlung des irdischen Todes gelangt. Wünschenswert ist wohl nur, das man als Mensch spürt, dass man lebt, dass man sich entwickelt, das man Schritt für Schritt mehr Liebe und mehr innere Freiheit erlangt. Liebe in drei Richtungen: zu sich selbst, zu den Mitmenschen und Mitgeschöpfen und zu Gott dem großen Geheimnis hinter allem. Bei welchem Lehrer man dabei in die Schule geht ist im positven Sinne gleich-gültig. Es geht um die Wandlung des Lebens der großen Wandlung entgegen, in der wir dann end-gültig dem lebendigen Gott schauen werden, von Angesicht zu Angesicht. Und wir werden bei dieser Begegnung wohl alle lachen über unsere so liebenswert unerleuchteten Vorstellungen über Gott und das Leben. Wir werden das ganz Einfache erkennen. Wir werden ganz und heil in die flammende Liebe Gottes hineinfallen…..
Herzliche Grüße aus Berlin
pace e bene
michael
🙂
Ich glaube, die ganz große Offenheit ist für Fortgeschrittene; ich bleibe erstmal hübsch bei unserer heimischen Religion. Da gibt es für mich noch unendlich viel zu entdecken.
Aber wahrscheinlich hast du recht und aus ewiger Perspektive sehen unser Gegrübel und unsere Fragen vermutlich so aus, wie wir lächelnd kleinen Kindern zuschauen, die noch die allerersten Zusammenhänge erforschen. 🙂
Viele Grüße nach Berlin!
…mit dem Fortgeschrittensein ist das so eine Sache liebe Heike.
Da muss ich doch, mit Verlaub, noch einmal auf Buddha hinweisen.
Er hat seine Schüler immer auf den Anfängergeist hingewiesen,
darauf, dass wir ein Leben lang Anfänger bleiben.
Damit hat er wohl sehr recht, was auch manchmal eine schmerzhafte Erfahrung sein kann.
Und die Konzentration auf Christus ist mir persönlich auch immer wieder vorrangig.
Aber eben auf IHN, den lebendigen Auferstandenen, nicht immer unbedingt nur auf die vorgegebene Tradition über ihn. Aber ich denke dabei oft an Johannes vom Kreuz, den großen spanischen Mystiker. Der sagt in seiner Rede Gottvaters an uns, dass wir nichts weiter suchen brauchen als Christus. In IHM hat uns Gott alles gesagt, was er uns Menschen zu sagen hat. Aber das zu erfassen, was ER uns damit gesagt hat, braucht es mehr als ein ganzes irdisches Leben, das würden alle schlauen Bücher dieser Welt nicht fassen. Aber es genügt ja einfach ein stilles Staunen, ein liebevolles Anbeten des Kindes in der Krippe, des zärtlichen Jesus, der sich sehr sinnlich die Füsse mit Öl und Tränen salben lässt, der ganz frei mit der Frau am Jakobsbrunnen über den Geist des Gebetes spricht. Diese unendlich tiefen und einfachen Bilder des Evangeliums reichen zu, um Leben zu lernen und sich dann doch vielleicht in eine immer größere Weite vorzuwagen.
Pace e bene von
michael
🙂
P. S.: … ich fand gerade beim Lesen einen guten Satz zu unserem Thema
von der Heiligen Katharina von Siena.
Sie lebte ihr klösterliches Leben ja schon im 14. Jahrhundert bewusst mitten in der Stadt. Und dies begründete sie mit dem wundervollen Satz:
„Meine Klosterzelle ist die Selbsterkenntnis.“
Starker Gedanke einer starken Frau!! 🙂
Toll! Und das im 14. Jahrhundert! Danke, Michael! Gruß, David
Ja, eine starke Frau!
Nicht jede(r) ist für den „Einzelkampf in der Wüste“ geeignet.
Nun mit Grüßen an ein bekanntes Gesicht 😉
Heike
Zurück in Berlin, lese ich nun erst Deinen letzten Kommentar und grüße Dich.
Ja, das war schon lustig, dass wir plötzlich im realen Raum nebeneinander gebetet haben.
Zu Deinem „Einzelkampf in der Wüste“ muss man natülich bedenken, dass selbst mein verehrter Wüstenvater Cassian nicht nur im Einzelkamp in der Wüste gelebt hat.
Die Wüste war zu seiner Zeit auch gar nicht so leer, hatte wohl manchmal eher etwas von einem Hippi-Event. Denn es zogen auch jede Menge Aussteiger in die ägyptische Wüste, die einfach keine Steuern an das ungeliebte Rom zahlen wollten (kann man ja als heutiger Steuerzahler durchaus nachvollziehen…).
Und Johannes Cassian war auch viel im Heiligen Land unterwegs, auch zu kirchenpolitischen Debatten in Konstantinopel. Und dann hat er ja auch in Südfrankreich ein Kloster gegründet. Das Einzelkämpfen, das Alleinsein, die Stille allein vor Gott kann und sollte wohl auch immer wieder zu den Menschen führen. Auszeiten sind aber wichtig, damals wie heute.
Herzliche Grüße von Berlin nach Hannover
pace e bene
michael
🙂
Hallo!
Wir haben es in unserem Newsletter schon geschrieben und möchten es hier ebenso tun:
Das große Interesse an den Artikeln in unserem Onlinemagazin zum Mönchtum in der Stadt hat uns gezeigt, dass das ein wirklich wichtiges Thema ist, dass offensichtlich viele bewegt. Dabei geht es weniger um uns drei hier in der Cella als vielmehr darum, wie ein jeder und eine jeder, der oder die es will, dem eigenen Leben eine mönchische Richtung geben kann.
Das Leben in der Stadt provoziert immer wieder eigene Stellungnahmen und Positionierungen. Es ist im Grunde eine ständige Frage, der wir uns sehr oft dadurch entledigen, dass wir sie ignorieren und ihr ausweichen – und bei manchen Anfragen der Stadt ist das auch nicht weiter schlimm. Ich kann und will mich nicht zu jeder Werbung positionieren, nicht zu jedem der jungen Menschen eine Meinung haben, die mich um einer Unterschrift (ja, und vielleicht ja auch zu einer Mitgliedschaft in dem Verein) bringen wollen.
Aber nicht erst beim Bettler wird es schwieriger und bei all den Lebensentwürfen – nennen wir sie gelungen oder nicht, bei all den Impulsen, der Dynamik, der Gewalt und der gesellschaftlichen Entwicklung fragt die Stadt immer wieder: Und wie hältst Du es damit?
Das eigene Leben mönchisch zu leben, kann dem Dasein eine Form und einen Halt geben. Ich kann mich mit der alten Weisheitstradition verbinden, aus den Lehren dort meine Lehren ziehen, mich verbunden wissen, mit vielen anderen, die wohlmöglich Ähnliches leben. Vor allem kann mir ein solcher Weg die Klarheit darüber geben, was wichtig ist und was nicht und mich die Oberflächenmembran des Daseins durchbrechen oder besser durchdringen lassen, um mehr und tiefer zu sehen, als die Oberfläche abgibt.
Mönchisch leben in der Stadt heißt Wahrnehmen und Verbinden, heißt Rückzug und Ausgesetztsein, heißt Sinn und Abgrenzung, heißt verwurzelt sein und Freiheit, heißt das ganz eigene zu leben und doch in einem langen Zug von Menschen zu stehen, die vor mir diesen Weg gegangen sind – ob mit oder ohne Profess.
Vielleicht kann unser Leben als Klostermönche ein wenig davon in diese Stadt streuen und vielleicht ist das der tiefere Sinn unseres Lebens in der Cella.
Die Brüder der Cella