Welcher Psalm-Vers gefällt Dir besonders gut oder hat für Dich persönlich eine besondere Bedeutung?
Ich bleibe immer wieder an dem Psalmvers „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!“ (Ps 18,30) hängen. Doch ich möchte ihn unbedingt nicht alleine so stehen lassen. Auch kommt mir immer wieder der Vers „Er verschaffe deinen Grenzen Frieden!“ ( Ps 147,14) in den Sinn. Beide Psalmverse sind für mich wie die zwei Seiten einer Medaille.
Wie würdest Du den Vers in Deiner eigenen Sprache formulieren und welche Bedeutung hat der Vers für Dich persönlich?
„Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!“ – dieses Wort ermutigt mich immer wieder, zu wachsen! Oft bleiben wir ja an unseren eigenen Grenzen und Begrenzungen stehen. Doch so werden wir uns eigentlich nie weiterentwickeln, werden nicht wachsen. Ich muss immer wieder den Mut haben, über diese Grenze hinauszugehen. Ich weiß noch, wie meine Geistlicher Begleiter am Anfang meines Studiums mir sagte: „Tue immer etwas, wovor du ein bisschen Angst hast!“ Das ist es. Immer wieder aufbrechen aus den eigenen Begrenzungen im Vertrauen, dass die Grundkraft unseres Lebens, Gott, dabei ist!
Doch es ist auch immer wieder Unterscheidung und ein gutes Maß gefordert, so dass ich mich nicht überfordere. Deshalb: „Er verschaffe deinen Grenzen Frieden!“. Ich muss mir nicht immer an meinen Begrenzungen den Kopf einrennen. Es gibt Dinge an mir und in meinem Leben, wo keine Entwicklung möglich ist. Das muss ich dann annehmen.
Ich glaube, in dieser Spannung muss ich immer wieder versuchen, mein Leben zu gestalten! Diese beiden Verse haben auch eine große Dynamik, die mich immer wieder herausfordert, genau hinzuschauen und erspüren, was jetzt für mich gut ist.
In welcher Lebenssituation könnte man diesen Vers jemandem an die Hand geben?
Je nachdem!
Der eine („Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!“) fordert mich heraus. Gerade in Situationen, wo ich vielleicht innerlich resigniert habe, weil sich an mir und meiner Umgebung wenig ändert, kann dieses Wort Mut machen, weil es mir die Kraft Gottes zuspricht.
Der andere („Er verschaffe deinen Grenzen Frieden!“ ist eher in Situationen geeignet, in denen ich mich überfordert fühle. Wenn ich alles an mir und an der Situation getan habe, sich aber nichts weiterentwickelt, dann muss ich irgendwann die Situation annehmen!
Angenommen, der Vers wäre der Titel eines Filmes – wovon würde der Film handeln?
Ich möchte die beiden Verse versuchen zusammenzufassen. Dietrich Bonhoeffer hat den letzten Teil seiner Biographie „Widerstand und Ergebung“ genannt. Das ist es genau, was diese beiden Psalmverse zum Ausdruck bringen wollen. Das eigene Leben zwischen diesen beiden Polen, in dieser Grundspannung zu gestalten. Von daher könnte ich mir gut vorstellen, dass der Film eine Biographie wäre, die den Fokus auf genau diese Dynamik lenken würde. Wessen Biographie, ist dabei zweitrangig, denn ich denke, in jedem Leben kommen die beiden Pole vor!
P. Jonas Wiemann OSB, Geb. 1969,
Mönch,
Novizenmeister,
Abtei Königsmünster, Meschede
Was mir an dieser Themenreihe über die Psalmenworte so gefällt: ich lerne Neues und Altes neu. In diesem Beitrag ist es der erste Satz, der mir sehr geläufig und schon oft begegnet ist und doch mit diesen persönlichen Gedanken dazu für mich nochmal mehr Tiefe bekommt. Und der zweite Satz, den ich tatsächlich noch nie bewusst wahrgenommen habe – und der so wunderschön ist. Und in der Kombination („wie die zwei Seiten einer Medaille“) mag ich das sehr! Dieser Beitrag wird mich sicher noch eine Weile begleiten… Liebe Grüße und vielen Dank für diese Worte an Pater Jonas! 😉
Herzliche Grüße
Christiane