“Ich besuche Dich!

Anfang der 90er Jahre habe ich für ein halbes Jahr in einem Krankenhaus gearbeitet. Es war ein Praktikum und meine Aufgabe war es, den Aufenthalt der Patienten auf der orthopädischen Station des Uni-Klinikums Münster angenehmer zu gestalten.
Dazu gehörte gemeinsames das Begleiten zu Untersuchungen, das Trösten und Ermutigen, das Ablenken und Besänftigen. Die Patienten kamen aus ganz Deutschland und aus dem Ausland – manche auch aus Arabien. Viele waren alleine dort. Andere wurden mit Besuch überschüttet – meistens aber punktuell. Da waren plötzlich 10 bis 15 Leute im Krankenzimmer und dann tagelang niemand. Besuch spielt im Krankenhaus eine ganz besondere Rolle – ähnlich wie im Altenheim. Nach dem Mittagessen beginnt das Warten: Kommt heute jemand? Wer kommt jetzt durch die Tür, die sich gerade öffnet? Und was mache ich, wenn niemand kommt, wenn wieder niemand kommt? Wie gehe ich mit Enttäuschung und Traurigkeit um?
Ähnlich wird es auch im Gefängnis sein. Dort wird man zwar nicht jeden Tag warten, denn Besuche dort brauchen eine Ankündigung. Aber dennoch ist das Alleinsein, die Hoffnung, Besuch zu bekommen, nicht abgeschnitten zu sein von den Lieben außerhalb ein ganz wichtiges Thema. Dieses Thema “Ich besuche Dich!” als Teil der Werke der Barmherzigkeit hat schon Jesus aufgegriffen. da heißt es im Matthäusevangelium: “Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefäng-nis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.” So spricht laut Matthäus der König am Endgericht und zieht die an sich, die so gehandelt haben, die anderen aber verstößt er. Die Menschen nicht alleine lassen, gerade dort, wo sie an existentielle Grenzen ihres Lebens kommen, das ist das Werk der Barmherzigkeit “Ich besuche Dich!”.
Es ist im wesentlichen menschliche Nähe, die uns hilft, schwere Dinge zu verarbeiten – Krankheit, nahender Tod, Schuld. Erst wenn wir uns von denen, die wir lieben und von denen wir und geliebt fühlen, auch in solchen dunklen Augenblicken nicht alleingelassen werden, kann es uns gelingen daran zu wachsen und nicht zugrunde zu gehen. Jeder freundliche Besuch im Krankenhaus, jede Geste der Beziehung im Altenheim, jeder Gruß ins Gefängnis ist eine wirkliche Unterstützung, die ganz konkret hilft und unterstützt. Es geht nicht um das Wohlbefinden des Besuchers, nicht um eine moralische Forderung, sondern darum, dass der Kranke, der Alte oder Gefangene eine Chance bekommt, seine Situation neu zu sehen und innerlich zu verarbeiten. Menschliche Nähe öffnet ein inneres Tor, das mir hilft, aus dem inneren Jammertal herauszufinden.
Wenn ich in der Zeit meines Praktikums in der Uni-Klinik Münster manchmal im Aufwachraum saß und wartete, bis einer der Patienten nach der OP wieder aufwachte, konnte man das sehr genau beobachten: solange die Hand auf der Hand des Patienten lag, war der Puls ruhig, zog ich sie aber weg, begann sich eine innere Unruhe breit zu machen, der Puls beschleunigte sich und der Blutdruck ging nach oben.
Ein Besuch kann eben sehr gesund sein!

Bruder David


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Kommentare

  • Lieber Bruder David,

    ich hab ja auch eine ältere Dame die ich regelmässig besuche und der ich auch im Alltag helfe. Wir haben feste Rituale wenn ich komme. Wir frühstücken und trinken Cafe zusammen und tauschen aus was uns die Woche über bewegt hat. Wir freuen uns aufeinander und duzen auch schon. Sie ist für mich schon wie eine richtige Oma wo ich mir Rat hole, wo ich mal Schokolade bekomme. Ich denke das es ganz wichtig ist das man Besuch bekommt. Die Oma sagt immer das ihr langweilig ist seitdem sie im Rollstuhl sitzt. Alle gehen arbeiten, wenn Enkelin oder Tochter von der Arbeit kommen schauen sie zwar vorbei, haben es aber alle eilig. Wir geniessen die Zeit die wir zusammen haben. Ich habe ganz viel von ihr gelernt. Sie bringt soviel Lebenserfahrung mit und ich erzähle ihr von meinen Erlebnissen. Wir essen gemeinsam Mittag und ich hole mir ganz tolle Kochtips von ihr aus früheren Zeiten. Sie macht mit wenig Lebensmitteln echt eine Köstlichkeit…Alles total lecker und frisch…Ich drücke sie und rufe auch zwischendurch an ob es ihr noch gut geht. Es ist echt für beide total wichtig der Kontakt und natürlich drücke ich sie auch…Wärme und Geborgenheit sind auch ganz wichtig.

    Montag kommt wieder der Herr aus dem Altenheim zu mir der Speiseröhrenkrebs hat. Er freut sich auch immer wieder aus dem Heim rauszukommen. Für ihn ist eine Abwechslung im Alltag. Ich versuche ihn die Lieblingssachen zu besorgen. Knusperfisch brate ich ihm an, ich geb ihm Matjesfilet mit und packe ihm dann ein Vesper Paket fürs Heim was es dort nicht soviel gibt. (Orangen, Joghurt, Süsses; Herings oder Matjesfilet, Kuchen, den Rest Fisch den er sich dann in der Mikrowelle erwärmt). Er erzählte mir letztes Mal das er z. B. immer nach Sylt gefahren ist um dort Urlaub zu machen. Jetzt plant er fürs nächste Jahre eine Abschiedstour von Sylt um sich von der Insel zu verabschieden. Das sind echt Sachen die einen total zu Herzen gehen und mich tief berühren. Wir diskutieren oft unterschiedliche Sichtweisen und auch dort lernen wir beide viel voneinander. Seine Augen leuchten und ich freue mich darüber das wir beide eine schöne Zeit haben.

    Eine schöne und gemütliche Adventszeit wünsche ich noch.

    Lg Corinna Stahr

  • Ich will ja nicht überall einen Kommentar schreiben, aber das ist wirklich sehr berührend. “Menschliche Nähe öffnet ein inneres Tor, das mir hilft, aus dem inneren Jammertal herauszufinden.” Man muss die Menschen nicht einmal gut kennen.
    Die Werke der Barmherzigkeit in der Bibel kenne ich gar nicht so recht oder habe sie vergessen.
    Danke.

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