Eine Möbelkette hatte diesen Satz mit anderen Verben bekannt gemacht. Und immer wieder, meistens zum Spaß, fülle ich diesen Satz mit neuen Verben: Fühlst Du schon oder denkst Du noch. Manchmal auch: Glaubst Du noch oder fühlst Du schon. Mir passiert das meistens in Situationen in der Praxis. Da bitte ich die Patienten häufig, den eigenen Körper oder die eigene Stimme wahrzu-nehmen und ihre Wahrnehmung zu beschreiben. Besonders in den ersten Therapieeinheiten fällt das manchen Menschen gar nicht leicht. Und dann bekomme ich beispielsweise Antworten wie: „Bestimmt ist meine linke Seite heute wieder angespannter als die rechte Seite.“ Manchmal vermute ich dann, dass mein Patient sich vor allen Dingen gut gemerkt hat, was ich in der letzten Therapie gesagt habe – aber leider nicht, wie ich es gewünscht hatte, in seinen Körper gespürt hat. Manche sagen dann auch ganz spontan: „Ich glaube, meine linke Seite ist angespannt.“ Auch bei einer solchen Antwort versuche ich natürlich, genau zu erkennen, welche Bedeutung hinter diesem „ich glaube“ steht. Und manchmal ist in diesem Kontext die Bedeutung von „ich glaube“ dann etwa: Ich weiß es einfach nicht und deswegen rate ich jetzt mal.

Warum soll ich Wahrnehmung lernen?

Die feine Wahrnehmung des Körpers und der Stimme ist schwierig, darum ist es nichts Besonderes, wenn wir diese feine Wahrnehmung lernen müssen. Viele Dinge, zu denen ich heute Menschen hinführen kann, habe ich selber lange und zum Teil auch mühsam lernen müssen. Manchmal fragen mich Patienten auch ganz direkt, warum sie das denn überhaupt lernen sollten. Es reiche doch, wenn ich es herausfinde, es ihnen dann sage und anschließend vielleicht mit ein paar gezielten Handgriffen die Verspannung im Körper meiner Patienten löse.

Mir ist das nicht genug. Als Lebenshaltung und vor allen Dingen auch als geistliche Haltung finde ich die Wahrnehmung ganz entscheidend. In Bezug auf die Muskeln wird das relativ leicht deutlich: Sobald ich in meinem Körper einen Muskel tatsächlich als angespannt wahrnehme, beginnt der Körper, diese Anspannung in irgendeiner Weise zu reduzieren.

Die feine Wahrnehmung startet selbstheilende Prozesse

Meistenteils beginne ich, den Muskeln zu dehnen und zu strecken und anschließend wieder zu entspannen, um ihn so langsam wieder in eine Wohlspannung zu führen. Das passiert oft intuitiv, ich muss also gar nicht groß darüber nachdenken. Interessanterweise startet dieser Prozess deutlich schlechter oder eben auch überhaupt nicht, wenn ich nur in Gedanken bin und den angespannten Muskeln nicht wirklich wahrnehme.

Aber was mache ich nun, wenn ich eine unterschiedliche Muskelanspannung einfach nicht spüren kann? Das werde ich immer wieder von Patienten gefragt. „Ich spüre da kein Unterschied,“ sagen sie mir dann.

Wahrnehmungskanäle verbinden

Eine wichtige Möglichkeit, die Wahrnehmung zu schulen, besteht darin, sich einen weiteren Wahrnehmungskanal zu suchen. Also beispielsweise: Ich spüre in meine Schultern rechts und links und versuche wahrzunehmen, ob die Schultern die gleiche Spannung haben oder ob eine Schulter angespannt ist. Dann stelle ich mich vor den Spiegel und schaue mir genau an, ob meine Schultern gleich hoch sind und ob die Hände, wenn sie locker herunterhängen, in gleicher Weise ausdrehen. Auf diese Weise nehme ich meine Augen zur Hilfe. Ich könnte aber auch meine Ohren zu Hilfe nehmen, indem ich entlang der oberen Rippen vom Brustbein bis zur Schulterkugel klopfe und mir den Ton anhöre. Die Seite, die angespannter ist, hat einen höheren Ton. Wenn ich in dieser Weise über einen weiteren Wahrnehmungskanal ein Unterschied festgestellt habe, dann versuche ich, diesen Unterschied, den ich gesehen oder gehört habe, jetzt auch in den Muskeln zu fühlen. Und über einen solchen weiteren Wahrnehmungskanal kann ich mich immer weiter schulen, mich selber gut wahrzunehmen.

Für mich persönlich ist das übrigens eine ganz wichtige Aufgabe in der Zeit vor Ostern. Mit dem Fasten möchte ich die Sinne schärfen für das, was in mir und mit mir ist. Und so kann ich jetzt sensibel werden, nicht nur für die Muskeln und Muskelanspannungen, die in mir sind, ich lerne damit  dann auch ein erstes Stück Gott zu erspüren, wie er in mir ist.

Und ich freue mich wieder, von Dir zu lesen , was Dir hilft, Dich und Deinen Körper besser wahrzunehmen, und vielleicht auch, was Dir hilft, das Göttliche in Dir besser wahrzunehmen.

Bruder Karl-Leo


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Kommentare

  • Es hilft mir, mir Zeit zu nehmen, überhaupt wahrzunehmen. Bisher war ich oft sehr gut darin, vieles schlicht und einfach zu ignorieren. Danke sehr für Gedanken zu dem Thema!

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