Die Suche nach „der Mitte“ beschäftigt seit Wochen die Medien – und besonders eine Partei, die sich selbst als „Partei der Mitte“ bezeichnet. Die hohe emotionale Brisanz, die durch unsere Geschichte bei diesem Thema mitschwingt, verdrängt für viele fast völlig, dass die „politische Mitte der Gesellschaft“ ein kleiner und auch sehr spezieller Akzent von Mitte ist – ohne Zweifel ein wichtiger. Denn eigentlich bezeichnet Mitte einen Ort im Raum oder auf einer Strecke.

In meinem Alltag in der Praxis suche ich auch oft mit Menschen nach der Mitte. Dabei geht es eher um körperliche Fragen. Es geht um die Balance im Körper.

Während meiner Arbeit in der Stimmtherapie spreche ich oft mit Menschen über ihren Stand, über ihre Aufrichtung auf den Füßen. Und auch da erlebe ich sehr körperlich: Es gibt Menschen mit einer klaren Mitte. Das Becken, der Schultergürtel, die Arme, der Kopf – alles ist symmetrisch angeordnet. Diese Menschen sind oft fest mit beiden Beinen auf dem Boden verwurzelt, sie sind nicht krumm und drohen nicht, leicht zu fallen.

Die Mitte findet man nicht durch Festigkeit

Spannender ist es, mit Menschen körperlich diese Mitte zu suchen – immer dann, wenn der Körper (aus welchen Gründen auch immer) aus der Mitte herausgekommen ist. Für unseren Körper ist dabei klar: Stabilität in der Mitte entsteht nicht durch Festigkeit der Muskeln, sondern durch Balance und durch die Ausgeglichenheit der Muskeln. Ein muskulär fester Stand ist eben keine sichere Mitte. Und so beginnt die Suche nach dem guten Standpunkt üblicherweise in den Füßen: das Körpergewicht auszubalancieren zwischen dem rechten und linken Fuß, zwischen Fußballen und Ferse.

Wenn man so seine eigene Mitte sucht, also einfach mit dem Körper leicht nach vorne und nach hinten pendelt und so die Füße immer besser stabilisiert, merkt man schnell, dass sich auch die Muskeln in den Beinen, also zunächst in den Waden- und Schienbeinmuskeln, dann aber auch um die Knie und bis hin in die Oberschenkel verändern. Wer sehr sensibel ist, kann diese Veränderung auch im ganzen Rumpf- und Oberkörperbereich an den einzelnen Muskeln nachspüren bis hin zum Hals.

Balanciert und zentriert 

Tatsächlich erlebe ich, wenn ich mit Menschen eine solche Übung in der Praxis mache, dass sie bereits nach wenigen Minuten einen neuen Stand haben. Muskeln sind verändert, Knochen stehen anders aufeinander. Körperlich würde ich sagen, sie haben eine neue Mitte gefunden. Und tatsächlich ist ein ausgeglichener Standpunkt – die gute Mitte über den Füßen – für viele Menschen deutlich angenehmer, mögliche Schmerzen in Schulter, Nacken und dem Rücken werden geringer. Je ausbalancierter ein Körper ist, desto sicherer ist er, um sich nicht durch einen Sturz zu verletzen.

Natürlich komme ich in meiner Arbeit nicht an der Frage vorbei, was die balancierte Mitte in der Aufrichtung mit der politischen Mitte zu tun hat – und was die schräge Aufrichtung im Körper mit den schrägen Haltungen im Kopf zu tun hat.

Die Mitte findet nur, wer etwas wagt

Nur wer sich nach vorne und hinten, nach rechts und links wagt und so sich selbst wahrnimmt, kann seinen Körper in die Mitte und in die Balance bringen. Wer sich schon vor der Suche fest macht, kann seine Mitte nicht gut finden.

Die stabile Mitte, die mich körperlich (also von den Füßen her) und geistig (also vom Kopf her) fasziniert, ist tatsächlich eher ein ausbalancierte als ein verfestigte Haltung.

Und auch wenn eine 1:1 – Beziehung natürlich viel zu platt wäre, hat das eine mit dem anderen nach meiner Erfahrung doch etwas zu tun. Darum übe ich gerne meine Balance und lade Euch ein, das mit dieser einfachen Schwinge- und Pendelübung über die Körpermitte auch einmal zu tun.

Ich freue mich wieder auf Eure Erfahrungen und Rückmeldungen.

Bruder Karl-Leo


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