Die Bahn -. meine Lehrmeisterin

Die Bahn – meine Lehrmeisterin

Man kann es nicht ändern!
So ist das Leben halt!
Wir möchten uns für alle Unannehmlichkeiten entschuldigen!
So ist das halt!

Ich sitze im Zug – Rückfahrt Düsseldorf nach Hannover. Eigentlich keine große Sache, nichts Aufregendes. Einsteigen, losfahren, etwas arbeiten und dann ankommen. So dachte ich es mir und so wäre es auch schön gewesen. Doch schon auf meiner Hinfahrt – wie so oft schon, funktioniert das W-LAN nicht. “Dann halt nicht!” könnte man sagen. Doch ich nutze diese Zeit im Zug immer auch als Arbeitszeit. Zeit ist ein kostbares Gut und deshalb fahre ich ungern mit dem Auto, denn das ist vertane Zeit. Im Zug kann ich sehr gut arbeiten, kann Artikel schreiben, Emails beantworten, Mindmaps erstellen und Konzepte entwickeln.
Und dann das!
Das schlimmste ist gar nicht, dass ich nicht ins Netz kann. Das kann ich verkraften, dann schreibe ich halt einen Artikel, wie diesen hier. Der entsteht genau jetzt, wo ich im Zug Richtung Hannover sitze und mir überlege, was ich jetzt machen soll.
Das Schlimmste ist, dass ich dieses ohnmächtige Gefühl habe, das Gefühl, dass ich mich noch so aufregen könnte, die Bahn interessiert es nicht.
Und, ja, man könnte sagen, warum auch. Ich bin einer von Millionen von Menschen, die Tag für Tag befördert werden, warum sollten sie einen Aufstand um mich machen.
Dennoch habe ich dieses ohnmächtige Gefühl und ich mag dieses Gefühl wirklich nicht. Ich muss nämlich einsehen, dass ich nichts ändern kann. Ich kann meine Zugbegleiterin fragen. Sie wird das Problem wohlmöglich noch gar nicht erkannt haben und es vor allem nicht ändern können.

Soll ich Krieg gegen die Bahn führen?

Ich könnte jetzt statt dieses Artikels einen Beschwerdebrief an die Bahn schreiben und erhielte vermutlich einen wohlfeilen Brief zurück, in dem die Bahn ihr Bedauern ausdrückt aber darauf hinweist, dass solche technischen Probleme vorkommen können. Recht haben sie natürlich, aber es hilft mir jetzt nicht.
Ich bekomme Rachegedanken, Wutanfälle in meiner Phantasie, ich ziehe vor meinem inneren Auge einfach die Notbremse, versuche, einen Aufstand der aktuellen Passagiere zu organisieren, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Aber, um es gleich zu sagen, all das verwerfe ich wieder – Gott sei Dank!
Was würde auch in der Zeitung stehen: Mönch probt Aufstand? Vom Mönch zum Terroristen in einer Stunde?
Das erspare ich mir.
Und jetzt? Was bleibt mir noch?
Mir sind zwei Dinge eingefallen und die erzähle ich Dir. Vielleicht kannst Du sie in anderen Fällen anwenden – auf Deine Art natürlich, mit etwas Kreativität bei der Umsetzung. Aber das kriegst Du schon hin!

Vorschlag 1: Nimm die Situation, um zu lernen

Eigentlich ist es ja ganz einfach. Das, was ich gerade in diesem Zug erleben, kann ich tagtäglich erleben. Ich kann die Bedingungen meines Lebens bei weitem nicht alle beeinflussen und lenken. Ich meine es manchmal und finde, dass ich der Herr meines Lebens bin. Aber seien wir ehrlich: das sind wir weitaus weniger, als wir meinen, oder?
Der Stau auf der Straße, die Zeitung, die morgens nicht kommt, die muffelige Kollegin, der anstrengende Kunde, der Schnupfen, der verlorene oder vergessene Schlüssel, der Brief des Finanzamtes… Es gibt tausende Möglichkeiten, die mein Leben beeinflussen und ich muss reagieren, ich kann nichts machen. So ist das halt, man steckt nicht drin, that’s live.
Gehört es vielleicht zu den Lebenslektionen, das zu erkennen, darin einzuwilligen?

Wir meinen oft, dass das Leben so zu sein hat: Die Menschen müssen freundlich zu mir sein, die Sachen müssen an ihrem Platz sein, die Bahn muss W-LAN zur Verfügung stellen (sie hat es doch versprochen!) und wenn das nicht passiert, beginnt mein Unglück.
Was, wenn ich alles als mögliches Geschenk ansehe, als Möglichkeit, quasi als Überraschung, über die ich mich freuen kann, aber nicht als Verpflichtung des Lebens mir gegenüber?
Was, wenn ich mir sage: So ist es, Unglück ist etwas Anderes, nun habe ich Zeit, kann etwas schlafen, ‘was lesen, nachdenken, träumen…
Ich kann faktisch nichts daran ändern, dass das W-LAN nicht funktioniert, warum also statt dessen unglücklich sein? Wird das W-LAN dadurch aktiviert? Nein! Geht es mir besser? Nein!
Dann will ich es lieber nehmen, wie es ist und lerne, das Unabwendbare zu akzeptieren. Hoffentlich hilft es mir, in weitaus schwerwiegenderen Situationen das auch tun zu können.
Auf alle Fälle: Danke, liebe Bahn, für diese Lebenslektion.

Vorschlag 2: Werde kreativ

Man kann mit jeder Situation so oder so umgehen. Wir haben die Freiheit und dazu gehört auch die Möglichkeit unterschiedlicher Umsetzung und Neugestaltung.
Das erkenne ich und entscheide mich spontan, diesen Artikel zu schreiben. Ich bin am Dienstag ohnehin dran. Und so beginne ich über meine Erfahrung und meine Gedanken zu dieser misslichen, aber nicht katastrophalen Situation aufzuschreiben. So ehrlich wie möglich, ohne Schönfärberei.
Du kannst also die Situation, die Du nicht ändern kannst, kreativ umsetzen, gestalten und verändern. Fast jede Erfahrung ist für mich einen Artikel wert. Und so wird in Windeseile aus dem Malus ein Bonus.
Und ich wünschte mir, das in vielen Situationen auch tun zu können. Vielleicht verspreche ich mir bei jedem unfreundlichen Menschen, dem ich begegne, mich an das Schöne im Leben zu erinnern, mich auf Verspätung der Bahn zukünftig besser vorzubereiten oder darüber nachzudenken, was mich die Situation lehren will.
Ich will mich nicht betrügen und will meine Gefühle auch nicht bagatellisieren. Es gibt Dinge, die mich ärgern, Dinge, die wirklich nicht sein müssen. Aber ich weiß eben auch, dass ich daran oft nichts ändern kann und dass nirgendwo jemand an den Schalthebeln meines Lebens sitzt und versucht, mir das Leben so sauer wie möglich zu machen.
Manchmal ist es einfach so. Auch die Bahn will mir nichts Böses und die Zugbegleiterin noch viel weniger (die übrigens noch gar nicht mitbekommen hat, dass das W-LAN nicht funktioniert und mir rät einen Hotspot mit meinem Handy zu machen, als wäre das in einem schnell fahrenden ICE so leicht zu machen – Scherzkeks!)

Wo ich ans Ende meines Artikels komme, beruhige ich mich spürbar. Ich habe schon einmal vorgearbeitet, muss mir für Dienstag nichts überlegen und habe mehr geschafft, als wenn ich W-LAN gehabt hätte.
Die Bahn ist halt immer eine Geschichte wert und, ja, mir bleibt auch in Zukunft ohnehin nichts anderes übrig, als den Zug zu nehmen und dann zu hoffen, dass das W-LAN funktioniert oder ich eine kluge Idee habe.
Für heute hat’s funktioniert.

Bruder David


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Kommentare

  • In der vergangenen Woche hab’ ich ”Die Zürauer Aphorismen” von Franz Kafka entdeckt. Deren erster lautet: ”Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden.”

    (und an dieser Stelle ein ”Herzlichen Dank!” für Eure Weihnachtspost…)

  • Lieber Bruder David,

    Zuerst einmal: ein herzerfrischend zutreffender Artikel, der Spass gemacht hat ihn zu lesen und zu schmunzeln. In Ihren Reaktionen auf die “Unbillen” der Bahn habe ich manche Reaktion meinerseits im (Arbeits) Alltag wieder erkannt.
    Es stimmt – viele Dinge kann man einfach nicht ändern … diesen Gedanken “aufschnappend” versuche ich die kommenden Wochen etwas eher “auf die leichte Schulter” zu nehmen und nicht alles so “verbissen” zu sehen.
    Gruß aus Linden
    Silke Schulze

  • Lieber Bruder David,

    ähnliches habe ich in dieser Woche mehrmals erlebt.

    Am vergangenen Sonntag wollte ich mit dem Zug von Köln über Oberhausen und Wesel nach Hamminkeln fahren, um an einer Geburtstagsfeier teilzunehmen. Als ich erfuhr, dass zwischen Oberhausen und Wesel am Wochenende Schienenersatzverkehr eingerichtet wird, war ich innerlich wütend, weil meine Reise sich für die Hin- und Rückfahrt jeweils auf mehr als 3 Stunden erhöhen sollte. Ich stand früher als geplant am Sonntag auf, um rechtzeitig zum Mittagessen anzukommen. Am Bahnhof Köln-Süd angekommen, erhielt sich dann den Hinweis, mein Zug habe Verspätung und ende deshalb bereits in Duisburg. Damit war es sinnlos die Reise anzutreten, denn der Besuch bei dem Gastgeber wäre verspätet und kurz gewesen.
    Eine unendliche innere Wut über diesen “verlorenen” Tag verbreitete sich in mir und ich musste diese negative Energie irgendwie wieder loswerden. Dann ging ich spontan aufs Nachbargleis, stieg in den Zug nach Koblenz und fuhr ins Ahrtal. Dort war es bitterkalt und einsam und ich war froh, als gegen 11:30 das erste Caffee öffnete, wo ich ich ein Stückchen Kuchen und einen Kaffee genießen konnte. Und zum Schluss hatte ich viel gesunde Winterluft getankt und die Seele wieder ins Gleichgewicht gebracht.

    Als es mir gestern bei einer Bahnfahrt aus dem Ruhrgebiet ins Rheinland ähnlich ging, dachte ich, anscheinend sollst Du lernen, aus dem Moment heraus zu leben.

    Grüße aus Köln
    A n d r é a s

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