Ich aber, HERR, ich vertraue auf dich,
ich sage: „Mein Gott bist du!“
In deiner Hand ist mein Geschick.
Ps 31,15f
Dieser Psalmvers begleitet mich seit fast dreißig Jahren. Damals lebte ich als Benediktiner in der Abtei Königsmünster und wir Novizen wählten ihn als unseren Professspruch. Mein Leben hat mich weitergeführt, aber die fünf Jahre im Kloster haben es nachhaltig geprägt. Vieles in dieser Zeit Erlernte ist mir innerer Halt und Heimat geworden – insbesondere das Beten und Meditieren der Psalmen.
Der 31. Psalm wird im Wochenrhythmus des deutschsprachigen benediktinischen Stundengebetes in der Komplet am Freitag gesungen. Die seelenreinigende Kraft dieser letzten Gebetszeit des Tages ist nicht zu unterschätzen: der Rückblick auf den Tag, der gleichmäßig schwingende Wechselgesang in den nächtlich dunklen Kirchenraum hinein, der täglich gleiche Hymnus, das Anvertrauen an die Gottesmutter im letzten Lied des Tages – das alles sind Vorboten eines geruhsamen Schlafes nach einem anstrengenden, vielleicht aufreibenden, hektischen, ausgelassenen oder gar traurigen Tag. Auch die Worte der in der Komplet gesungenen Psalmen tun ihr Übriges: von der Zuflucht bei Gott, vom Bergen, Schirmen, Umfangen und Behüten ist hier die Rede, von Vertrauen, Zuversicht, Trost und Versöhnung.
Ein wenig sperriger kommt da der 31. Psalm in der Freitagskomplet daher:
Da legen die Feinde mir heimlich Netze, meine Bedränger spotten über mich, die Menge zischelt – ringsum ist Grauen.
Aber plötzlich bricht es aus dem verzweifelt hoffenden Beter heraus:
Ich! Aber! Herr!
Ich vertraue auf dich,
Ich sage: „Mein Gott bist du!“
Und dann folgt der Halbvers, der über die Mühe, den Ärger, den Streit des Tages und den Wunsch nach einer friedlichen Nacht weit hinausweist:
Mein Geschick, meine Zeit, mein Hin und Her, mein Auf und Ab, meine Phasen und Launen, mein Machen, Tun und Lassen, mein Lieben und Hassen, meine Freude und meine Zweifel, meine Ängste und meine Hoffnung, meine Unruhe und meine Sehnsucht – dies alles, mein ganzes Leben ruht, ich ruhe in Gottes Hand.
Und weiter: meine Liebsten und meine Feinde, die ganze Schöpfung ruht in Gott.
Was für ein Trost!
Die wöchentliche Vergewisserung dieses Trostes ist eine kleine, wunderbare Übung, die gerade in den unruhigen Lebensmomenten und -phasen ihre Wirkung und ihren Sinn entfaltet: um auch an diesen Tagen voll Unruhe, Verletzung, Enttäuschung oder Anfeindung kurz innehalten, tief durchatmen und diese Psalmworte wirken lassen zu können.
Ein Film, inspiriert von diesem Psalmvers, sollte also schlicht vom wechselhaften Leben erzählen, nicht vordergründig eine Deutung überstülpen. Die Handlung könnte der bewegten Biographie eines suchenden Menschen folgen. Vielleicht erst im Rückblick wird erahnbar, dass in allem immer etwas da war und ist, das trägt und hält und führt. Und dass auch all das vermeintlich Vergebliche seinen zunächst verborgenen Sinn hatte.
Hannover, im April 2016
Axel Philipp Loitzenbauer
geboren 1968
lebt in Hannover als freischaffender Architekt
Foto von Frîa Hagen, Hannover
Hallo Alex,
schön, zu spüren, wie Du auch nach Deiner Klosterzeit aus dem Reichtum der Psalmen lebst.
Es sind ja wirklich gerade diese, wie Du schreibst, sperrigen Psalmen, die uns im auch immer wieder sperrigen Leben zum Vertrauen auf IHN hin verführen können.
Da findet man sich plötzlich mit seinen inneren Reaktionen und Emotionen bei den Feindaussagen der Psalmen wieder, oder bei einem Aufschrei der Verzweiflung.
Und dann liest man (hoffentlich) weiter und landet mit dem Psalm wie von selbst wieder im „Trotzdem“ des Vertrauens auf Gott.
Ja, mit den Psalmen kommt man ein Leben lang an kein Ende.
Und das Stundengebet ist auch mein „ewiges Erbe“ nach nur reichlich fünf Monaten im Kloster. Schönes Erbe.
Es grüßt Dich herzlich aus Berlin mit
pace e bene
michael
🙂
Danke für den Psalm und den Text!