Heldenreise
Kannst Du Dich noch an das Tor erinnern, das Mario Götze 2014 geschossen hat und damit der Deutschen Mannschaft die Weltmeisterschaft sicherte?
Kennst Du den Film Herr der Ringe? Kennst Du noch die einzelnen Etappen von Frodos Reise nach Mordor?
Naja – und Du kennst gewiss den Weg, den Jesus zurücklegte, seine verschiedenen Stufen und Etappen, die letztlich bis in den Tod führten und darüber hinaus.
All das sind Heldengschichten, Geschichten, in verschiedenen Etappen und Stadien, die sich alle im wesentlichen gleichen. Ich habe ja vor kurzem über die Archetypen gesprochen. der Held gehört natürlich auch dazu und die Heldenreise in gewisser Weise auch.
ich will Dir die einzelnen Stufen dieser Reise vorstellen und helfen, sie für Dich zu nutzen. Denn auch Dein Leben ist eine Heldenreise.
Joseph Cample, ein amerikanischer Forscher, hat diese Heldenreise aus den Mythen und Märchen dieser Welt extrahiert und in seinem Buch Heroes in tausend Gestalten niedergeschrieben.
Ich empfehle Dir sehr, Dir dieses Video anzusehen und Du bekommst einen tollen Einblick in die Heldenreise.
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A Hero’s Journey – Hollywood Movie Mashup from Robin Fischer on Vimeo.
Hier die Stufen der Heldenreise von Joseph Cample:
Der Ruf des Abenteuers (Berufung)
Am Anfang steht eine Idee, oder eine Berufung
Weigerung
Der Held zögert, dem Ruf zu folgen, weil es beispielsweise gilt, Sicherheiten aufzugeben.
Übernatürliche Hilfe
Der Held trifft unerwartet auf einen oder mehrere Mentoren.
Das Überschreiten der ersten Schwelle
Er überwindet sein Zögern und macht sich auf die Reise.
Der Bauch des Walfischs
Die Probleme, die dem Helden gegenübertreten, drohen ihn zu überwältigen — zum ersten Mal wird ihm das volle Ausmaß der Aufgabe bewusst.
Der Weg der Prüfungen
Auftreten von Problemen, die als Prüfungen interpretiert werden können (Auseinandersetzungen, die sich als Kämpfe gegen die eigenen inneren Widerstände und Illusionen erweisen können)
Die Begegnung mit der Göttin
dem Helden (oder der Heldin) wird die gegengeschlechtliche Macht offenbar.
Die Frau als Versucherin
die Alternative zum Weg des Helden kann sich auch als vermeintlich sehr angenehme Zeit an der Seite einer (verführerischen) Frau offenbaren (vgl. Odysseus/Kirke)
Versöhnung mit dem Vater
die Erkenntnis steht dem Helden bevor, dass er Teil einer genealogischen Kette ist. Er trägt das Erbe seiner Vorfahren in sich, bzw. sein Gegner ist in Wahrheit er selbst.
Apotheose
In der Verwirklichung der Reise des Helden wird ihm offenbar, dass er göttliches Potenzial in sich trägt (in Märchen oft symbolisiert durch die Erkenntnis, dass er königliches Blut in sich trägt).
Die endgültige Segnung
Empfang oder Raub eines Elixiers oder Schatzes, der die Welt des Alltags, aus der der Held aufgebrochen ist, retten könnte. Dieser Schatz kann auch aus einer inneren Erfahrung bestehen, die durch einen äußerlichen Gegenstand symbolisiert wird.
Verweigerung der Rückkehr
Der Held zögert in die Welt des Alltags zurückzukehren.
Die magische Flucht
Der Held wird durch innere Beweggründe oder äußeren Zwang zur Rückkehr bewegt, die sich in einem magischen Flug oder durch Flucht vor negativen Kräften vollzieht.
Rettung von außen
Eine Tat oder ein Gedanke des Helden auf dem Hinweg wird nun zu seiner Rettung auf dem Rückweg. Oftmals handelt es sich um eine empathische Tat einem vermeintlich „niederen Wesen“ gegenüber, die sich nun auszahlt.
Rückkehr über die Schwelle
Der Held überschreitet die Schwelle zur Alltagswelt, aus der er ursprünglich aufgebrochen war. Er trifft auf Unglauben oder Unverständnis, und muss das auf der Heldenreise Gefundene oder Errungene in das Alltagsleben integrieren. (Im Märchen: Das Gold, das plötzlich zur Asche wird)
Herr der zwei Welten
Der Held vereint Alltagsleben mit seinem neugefundenen Wissen und damit die Welt seines Inneren mit den äußeren Anforderungen.
Freiheit zum Leben
Das Elixier des Helden hat die „normale Welt“ verändert; indem er sie an seinen Erfahrungen teilhaben lässt, hat er sie zu einer neuen Freiheit des Lebens geführt.
Man kann die Heldenreise nun als Entwicklungsweg eines jeden Menschen begreifen, aber auch als einen Weg für jedes größere Vorhaben, das wir in Angriff nehmen. Nicht alle Schritte und Stufen müssen dabei auch vorkommen – die wesentlichen Schritte aber sind in der Regel dabei. Der Weg des Helden ist auch ein Entwicklungsweg – es ist daher nicht das Ziel, keine Gefahren zu erleben und keiner Versuchung zu erliegen, niemals zu scheitern zu drohen, sondern erst diese Ereignisse bringen den Helden auf eine neue Entwicklungsstufe
Prototypisch für diese Heldenreise ist der Hollywoodfilm “Top Gun” aus den 80er Jahren. Der junge Kampfjetflieger, gespielt von Tom Cruise, wird erst dann zu einem wirklich guten Flieger und kann die Frau seines Herzens gewinnen, nachdem bei einer Flugübung sein bester Freund umkommt – und er selbst daran schuld ist. Erst jetzt entwickelt der junge Mann die Reife für eine Beziehung zu einer Frau und wird zu einem wirklichen Krieger und ist nicht mehr nur ein Draufgänger, der sich für unverwundbar hält.
Die Erfahrung des Scheiterns, der Schuld und die Bürde der Verantwortung gehört zur Entwicklung des Helden wesentlich dazu.
Auch das ist in vielen Filmen schon thematisiert worden – und vielleicht in vielen realen Menschenleben erfahren.
Vielen Dank für die treffende Zusammenfassung des Weges eines Helden, einer Heldin und vielen Dank für die Beschreibung der Archetypen. Beide Artikel habe ich bereits weiter empfohlen, da sie zum einen (notwendige) eigene Lebens-Wanderungen beschreiben und zum anderen deutlich machen, was uns Mythen, Märchen, Geschichten exemplarisch aufzeigen.
Vielen Dank für die Rückmeldung und die Empfehlung an andere. Wer den Heldenweg versteht und wer die Mythen lernt auf sich anzuwenden (und damit sind Märchen selbstverständlich mit inbegriffen), der versteht das eigene Leben nicht nur besser sondern auch tiefer. Märchen und Mythen sind aus Lebenserfahrungen vieler Generationen von Menschen entstanden. Aber wem sage ich das…! 😉 Vielleicht mögen Sie ja mal ein Märchen hier vorstellen und es uns erschließen? Gruß, Bruder David
Lieber Bruder David, Gerne – erzähle ich eine Geschichte. Gemeinsam können wir dann den Weg, die (Lebens-)Stationen betrachten.
Zeitpunkt: bitte nicht vor Juni; gerne auch im Herbst.
Herzliche Grüsse Heiderose
Ja, sehr gerne!!! Gruß, Bruder David
Ist das nicht die Heroisierung des Normalen, letztlich im Dienste narzisstischer Bedürfnisbefriedigung? Müssen wir esrt leiden um Glück spüren zu können; oder gar Leiden verursachen, um uns zu refelktieren?
Danke, Bernhard, für Deinen Kommentar. Vielleicht ist das Heldentum auch eigentlich ganz normal. Sich mit der Heldenreise zu beschäftigen hilft, seinen Weg zu verstehen und vielleicht auch manches Hindernis und manche Niederlage. Deine Frage, ob wir leiden müssen um zu verstehen und zu reflektieren kann ich nur so beantworten: ich befürchte ja – wenn es denn einen Sinn im Leiden geben kann, dann ist es für mich dieser: zu lernen in und durch solche Grenzerfahrungen sein Herz nicht zu verschließen und daran zu wachsen. Oder wie siehst du das? Gruß, David
Hallo Bruder David,
die Frage nach dem Sinn von Leid ist wohl recht alt und wurde unendlich oft diskutiert.
Sie beginnt schon damit, Leid zu definieren.
Ich glaube, dass Leid erst einmal gar keinen Sinn macht, dass wir Menschen aber immer wieder in der Lage sind, einen Sinn darin zu finden, Ressourcen zu mobilisieren und Perspektiven neu zu entwickeln. Das ist auch gut so, es sichert uns unser Über-Leben. Die Osterpassion hat dies wohl uns lehren wollen.
Ich gebe Dir recht, es wird ein Leben ohne Leid wohl nicht geben, das zeigt uns der heutige Tag eindringlich und schmerzlich. Ich denke aber auch, wir sollten Leid nicht anstreben. Mich und andere zu knechten um am Ende als Held dar zu stehen, ist mir eher fremd. Held werden und Held sein, das zeigt die Geschichte, ist nicht selten narzisstisch motiviert und wird auch oft medial so dargestellt. Bei den Beschreibungen von Joseph Cample fehlt mir die Demut. Darum meine Bedenken.
Die Helden des Alltags, die schätze ich sehr und die kommen häufiger vor als man denkt.
Ich wünsche Euch eine schöne Karwoche
Gruß
Bernhard
Lieber Bernhard, dem stimme ich voll und ganz zu: Leid strebt man nicht an – es kommt von selbst. Alles andere ist schräg bis masochistisch. Was die Demut angeht – Campbell formuliert es zwar so nicht, aber ich denke, dass der Held gerade durch die Grenzerfahrung wirklich demütig wird. Der Narzissmus wird bei einer wirklichen Heldenriese gebrochen oder aufgelöst und damit ist erst der Weg für wahre und gesunde Demut geebnet. Dir ein gutes Osterfest! David
Lieber Bruder David,
Heiderose hat mir den Weg zu Ihrem Artikel gewiesen … und ich habe ihn sehr gerne gelesen !
Es dankt ihr und Ihnen
Eine Heldin *
FROHE OSTERN !
Sehr gerne, es freut mich, dass Ihnen der Artikel gefällt! Ihnen auch ein frohes Osterfest – eigentlich ja auch ein Heldenfest. Gruß, Bruder David
Lieber Br. David,
das ist ein sehr inspirierender Text. Vielen Dank – ich werde ihn mal auf verschiedene Prozesse zur Reflexion anwenden.
Woran mich das erinnert: Kennen Sie die „Theorie U“? Man müsste mal beide “ Instrumente“ nebeneinander legen…
Mit freundlichen Grüßen,
J. Wehrmann
Guten Morgen, ich habe von der Theorie U gehört, aber ich kenne sie nicht wirklich. Was besagt sie und wo gäbe es Verknüpfungen zur Heldenreise? Gruß, Bruder David
Hallo,
ich bin überrascht! Mit dem Thema der Heldenreise hier konfrontiert zu sehen, hätte ich nicht gerechnet. Habe ich doch heute noch auf meinem Smartphone Joseph Campbell gehört. Vielleicht Synchronizität? Der Begriff stammt ja von C. G. Jung. Und der hat sich schließlich auch mit der Heldenreise beschäftigt. Joseph Campbell bezieht sich auch oft auf ihn.
Vielleicht auch nur schlichter Zufall….
Gruß
Sven
Sorry, durch die Ostertage hat es etwas gedauert, bis ich Dich freischalten konnte. Auf alle Fälle vielen Dank, dass Du hier einen Kommentar hinterlassen hast. Du beschäftigst Dich anscheinend mit C. G. Jung und Campbell? Das ist ein reiches Feld, dass uns viel geben kann. Gruß, Bruder David
Hallo Bruder David,
ich bin gerade auf eure Seite gestoßen und finde die Darstellung eurer Aktivitäten, Konzept und Inhalte sehr gelungen. Die Heldenreise beschäftigt mich seit einiger Zeit und ich bin dabei eine eigene Serie von Artikeln (www.stillepostille.de) darüber zu schreiben. Einerseits eine sehr gute Struktur für Geschichten, andererseits de Weg menschlicher Entwicklung und damit genau richtig für meine Reise von Deutschland ans Ende der Welt auf der ich mich seit einem Jahr befinde.
Schön, dass ihr solche Themen aufgreift. Alles Gute für die Zukunft,
herzliche Grüße aus PAtagonien
Philipp
Hallo Philipp, ich hab erst mal etwas recherchiert um zu erfahren, wer denn Philipp Groten ist – und bin sehr beeindruckt. Schön von Dir zu hören und zu lesen und auch schön, dass wir das Thema Heldenreise teilen.
Ich habe immer noch vor, mich mehr mit der Mytholgie und Joseph Campbell zu beschäftigen. Kennst Du Joseph Campbell? Gruß, Bruder David
Hallo Bruder David,
Campbell habe ich mit auf die Reise genommen. Seitdem bin ich beeindruckt davon diese Struktur in (Lebens- ) Geschichten immer wieder zu entdecken. Von daher wurde nicht nur mein Schreiben davon beeinflusst. Auch gut fand ich weiterführend die Auseinandersetzung mit den Archetypen von Jung und das Heldenreise Konzept für Persönlichkeitsentwicklung von Rebillot. Definitiv eine Bereicherung fürs Leben (und reisen).
Herzliche Grüße Philipp