Welcher Psalm-Vers gefällt Dir besonders gut oder hat für dich persönlich eine besondere Bedeutung?
Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern. (Ps. 18.30)
Wie würdest du den Vers in deiner eigenen Sprache formulieren und welche Bedeutung hat der Vers für Dich persönlich?
Mit Gott ist es möglich, Grenzen zu überwinden.
Vor gut 17 Jahren, ich war Lehrerin an einer katholischen Schule in Hamburg, spürte ich eine tiefe Sehnsucht in mir nach einem Leben, in welchem das Gebet den Tag gestaltet und dort seinen festen Platz hat. Es zog mich zu einem Leben im Kloster. Zugleich stieg in mir die Frage auf: „Wie soll das gehen bei all dem, was momentan mein Leben ausmacht?“ – Engagiert in der Schule und verwurzelt in der Familie, Einsatz in der Pfarrgemeinde und Aktivitäten in der Freizeit. Es war ein Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Sehnsucht und Zweifel, eine anstrengende Zeit.
In einem Gottesdienst begegnete mir der Psalmvers „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“. – „Das sind Worte, mit denen jemand gebetet und seine Glaubenserfahrung ausgedrückt hat“, ging mir durch den Kopf.
Und dann machte sich in mir Zuversicht und Hoffnung breit, dass sich meine Sehnsucht verwirklichen lässt und ich im Vertrauen auf Gott den Weg gehen kann…
Seit September 2000 lebe ich als Benediktinerin im Kloster Marienrode, Hildesheim.
In welcher Lebenssituation könnte man diesen Vers jemandem an die Hand geben?
Dann, wenn jemand an Grenzen stößt, die unüberwindlich sind oder scheinen:
eigene Grenzen, Grenzen im Miteinander, verfahrenen und ausweglosen Situationen, …
Angenommen, der Vers wäre der Titel eines Filmes – wovon würde der Film handeln?
Da fällt mir die Lebensgeschichte der indischen Ärztin Mary Verghese ein. Kurz nach ihrem Examen verunglückt sie bei einem Autounfall so schwer, dass sie querschnittgelähmt ist.
Sie geht durch tiefste Verzweiflung, betet sich hindurch, und wird zu einer Spezialistin für plastische Chirurgie. Von einem Ausbildungskurs in den USA, der zugleich ihre eigene Rehabilitation ist, kehrt sie in ihr Heimatland Indien zurück, um dort ein Rehabilitationszentrum zu leiten.
Dorothy C. Wilson lässt ihre Biografie über sie auf dem Rückflug mit den Worten, sie sind zugleich der Titel des Buches, enden: „Um Füße bat ich… und er gab mir Flügel.“
Sr. Christiane Roth OSB, * 1954
Kloster Marienrode, Hildesheim
Lehrerin/ Benediktinerin
Spontan hätte ich als Foto eher eine starke Adlerschwinge erwartet. Aber du hast einen zarten, zerbrechlichen Insektenflügel dazugesetzt – eine ganz eigene Aussage, die mich beschäftigt.
Das erinnert mich auch an den Satz: „There is no safety in Christ. There is absolute security, but no safety.“
Ja, so kräftige Adlerflügel wären auch gegangen, aber irgendwie war mich nach ganz zärtlichen und fast fragilen Schwingen. Und Adlerflügel wäre mir auch ein bischen zu offensichtlich und erwartbar gewesen. Gruß, David