6 ungewöhnliche Möglichkeiten Deine Komfortzone zu verlassen

Fastenzeit: 6 ungewöhnliche Möglichkeiten, Deine Komfortzone zu verlassen

Wir sind es gewohnt, die Fastenzeit unter dem Stichwort des Weniger und des Verzichts zu sehen. Für manche bedeutet Fastenzeit immer noch der Verzicht auf Bonbons oder auf Fleisch. Nicht, dass das nicht gut ist und der Verzicht auf tierische Produkte eine tiefergehende Bedeutung haben kann – der klassische kirchliche Jargon macht dennoch manches oberflächlich und nährt den Menschen nicht. Das kann man fast jeden Tag beobachten.
Fastenzeit ist aber weit mehr als ein religiöser Diätplan oder eine Erziehungsmöglichkeit für Kinder. Und Fastenzeit ausschließlich unter dem Begriff des Verzichts zu sehen, macht es meistens noch schlimmer.

Worum geht es also in dieser Zeit?

Ich meine es geht um ein 40-tägiges Projekt, die eigene Komfortzone zu verlassen, die eigenen Grenzen zu erweitern und Neuland zu betreten.
Wer immer im üblichen Gehege unterwegs ist, wird keine neuen Wege finden. Wer das Übliche denkt, wird keine neuen Erkenntnisse erlangen.
Wer nicht bereit ist, Hunger zu spüren, weiß nicht, was satt bedeutet.
Es geht also darum, uns zu erweitern. Und dazu kann es tatsächlich gehören, uns zu beschränken, also weniger zu nehmen, zu essen, zu trinken oder was auch immer. Aber das ist nur eine Spielart der Fastenzeit.
Ich möchte Dir heute andere Spielarten vorstellen. Ich habe mir sechs eher ungewöhnliche Ideen überlegt, wie Du Deine Komfortzone verlassen kannst, indem Du etwas tust, was Du vermutlich nicht so gerne tust.
Und warum sollten wir das machen?

Mein Projekt

Ich mache selber derzeit ein solches Projekt. Ich esse nämlich während des Tages einen Apfel. Tolle Idee, oder? Das Besondere aber ist, dass ich Äpfel nicht gerne esse. Morgens im Müsli ist es okay, aber pur? Nein, das ist nicht mein Obst. Ich esse ihn aber dennoch. Mit dieser Aktion möchte ich lernen, mich vom Geschmack unabhängig zu machen. Mein Glück hängt nicht von leckeren Speisen ab. Zwar stimmt dem jeder zu, aber wenn es dann soweit ist und in der Kantine es wieder mal labberige Pommes gibt oder eklig fettige Schweinshaxen oder zerkochten Brokkoli, dann sieht die Sache oft schon ganz anders aus.

Vor kurzem wollte ich ins Kino. Ich hatte mir einen Film ausgesucht, freute mich schon darauf und hatte einen perfekten Plan für den Abend. Und am Kino angekommen, wurde mir mitgeteilt, dass der Film ausgebucht ist.
In solchen Augenblicken spüre ich, wie sehr ich von meinen Plänen und Vorhaben hinsichtlich meiner Stimmung abhängig bin. Es sind oft so kleine Dinge, die das Haar in der Suppe bilden und uns verdrießlich machen.
Deshalb ist es gut, seine Grenzen zu weiten und zu lernen, auch mit unkomfortablen Situationen Frieden zu schließen und bereit zu sein, alte Glaubenssätze (“Ich mag keine Äpfel”) zu hinterfragen.

Hier nun meine Ideen:

1. Iss etwas, was Du nicht gerne isst.

Von meiner Apfelaktion hatte ich ja schon geschrieben. Derzeit verzichte ich zusätzlich auf jegliche Süße in meinem Müsli. Ich würde es gerne recht süß zu mir nehmen – ich könnte auch auf Süßstoff setzen. Aber ich will lernen, das Müsli zu genießen, auch wenn es nicht süß schmeckt.

2. Lies etwas, was nicht Deiner Meinung entspricht

Ich lese meistens Bücher, die mir entsprechen und die mich weiterbringen. Selten lese ich Bücher, die mir gegen den Strich gehen oder die mich ärgern. Solche Lektüre lege ich schnell zu Seite. Aber es kann doch eine gute Übung sein, sich auch einmal mit entgegengesetzten Meinungen auseinander zu setzen und deren Argumentation nachzuvollziehen. Vielleicht gelänge es mir auch, mehr Verständnis aufzubringen für solche Meinungen. Es kann uns in unserer Meinungsbildung sehr viel weiter bringen, wenn wir nicht nur immer das lesen, was uns entspricht. Kauf Dir doch mal eine Zeitung, die Du nie vorher gekauft hast und nicht kaufen möchtest. Aber lies diese Zeitung dann nicht zynisch oder abwertend, sondern versuche zu verstehen, was hinter den Artikeln steht.

3. Zieh etwas an, was eigentlich längst weg sollte

Jeder und jede von uns wird im Kleiderschrank Hosen, Pullis, Hemden oder was auch immer finden, die längst weg sollten. Entweder war noch nicht die Zeit da, zu entrümpeln oder man hängt noch aus Nostalgie an den guten Stücken. Nimm doch einfach mal das ein oder andere Stück und trage es einen Tag lang. Mach deine Erfahrung damit, etwas Derartiges zu tragen.
Es gibt viele Menschen, die keine Wahl haben, was sie anziehen können und dennoch ist es ihnen möglich, glücklich zu sein. Könnte Dir das auch gelingen? Dafür wäre es natürlich gut etwas zu nehmen, was Du nicht mehr magst oder was nun wirklich aus der Mode gekommen ist. Ich denke Du weißt, von welchen Stücken ich spreche, nicht wahr?

4. Stelle einmal keine Fragen

Diese einfache Übung kann ganz schön schwer sein. Kaum hat jemand begonnen etwas zu sagen, liegt uns auch schon eine Frage auf den Lippen. Verzichte darauf – denn, wenn die Frage erst da ist, hörst du nicht mehr zu. Verzichte auf die Frage und höre weiter zu. Zu dieser Übung gehört es auch, nicht den eigenen Senf dazuzugeben, sondern lediglich zuzuhören. Auch diese Erfahrung kann man machen, dass das Gegenüber eigentlich nur darauf wartet, dass ich nichts mehr sage, damit er oder sie von eigenen Erfahrungen berichten kann.
Du hörst nur zu – kein Kommentar (außer eine höfliche Bestätigung), keine Rückfrage, keine zusätzlichen Berichte aus dem eigenen Leben, nichts.

5. Steh einfach mal früher auf und nutze die Zeit für etwas Sinnvolles

Schlaf gilt für die meisten – mich mit eingeschlossen – als etwas sehr Wichtiges und Notwendiges. Bei manchen hat es gar den Status des Heiligen. Und es ist ja auch wahr, das ein guter und ausreichender Schlaf gut für die Gesundheit ist.
Dennoch kannst du ja einmal versuchen, früher aufzustehen, als Du üblicherweise aufstehst. Du begrenzt freiwillig Deinen Schlaf und überlegst Dir vorher, was Du mit der gewonnenen Zeit machst.
Vielleicht etwas Yoga, ein Buch lesen, ein Spaziergang draußen, wenn noch alles still ist, einen Tee oder Kaffee in Ruhe trinken oder meditieren.
Lern flexibler mit dem Schlaf umzugehen und ihn weder zu vergöttern noch zu vernachlässigen.

6. Sprich mit jemandem, den Du nicht magst

Jetzt verlässt Du wohlmöglich tatsächlich Deine Komfortzone – es hängt davon ab, wen Du Dir aussuchst. Ich bin sicher, dass Du den oder die Richtige finden wirst. Versuche es und nimm Deine eigenen Gedanken und Bilder wahr, die entstehen, wenn Du das Vorhaben angehen willst. Ich bin sicher, dass da eine Menge in Dir los sein wird. Mach es dennoch und versuche zumindest neutral zu sein – wenn es schon nicht möglich ist, wirklich freundlich aufzutreten.
Mit Menschen, die Du nicht magst, begrenzt Du Dich, weil Du einen Bogen um sie machst und weil Du Dir erlaubst, lauter negative Gedanken und Bilder zu produzieren.
Natürlich gibt es Menschen, denen man besser aus dem Weg geht – mir geht es nicht um eine Moral, die Dir sagt, was Du zu tun hast, sondern um einen Weg zu einer neuen Erfahrung.

Sei mutig

Nun habe ich Dir einige Vorschläge gemacht. Sicherlich wirst Du ganz individuelle Formen finden, Deine Komfortzone zu verlassen und bereit zu sein, Dich in unbequeme Situationen zu begeben.
Hab den Mut, mutig zu sein und Deinen Radius zu erweitern. Du wirst gewiss erstaunliche Erfahrungen machen und Dich neu kennenlernen.
Wer sich so auf die Welt einlässt, verschafft sich einen festen Boden unter den Füßen und wird freier und unabhängiger von äußeren Einflüssen.

Was sind die Grenzen Deiner Komfortzone?

Bruder David


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Kommentare

  • Lieber Bruder David, ich bin ein großer Fan Ihrer Texte und Ihrer Gedanken. Deshalb bin ich umso erstaunter, dass mir Ihr “ Projekt“ zur Fastenzeit, nämlich Sachen zu tun, die ich nicht mag oder ablehne so gar nicht gefällt.Ich spüre regelrecht einen inneren Widerstand, mich darauf einzulassen und weiß genau, dass es nicht ist, weil ich meine Komfortzone nicht verlassen will. Ab und zu und immer öfter die Komfortzone zu verlassen, finde ich, genau wie Sie für die persönliche Entwicklung sehr wichtig. Aber ich denke, dass es durchaus eine Berechtigung hat, bestimmte Dinge nicht zu mögen oder abzulehnen und die auch loslassen zu können, ohne sich in der Fastenzeit dann extra und intensiv damit zu beschäftigen.

    • Liebe Anke, vielen Dank, dass Du Deine Anmerkungen schreibst – gerade auch, weil sie sich kritisch mit meinem Artikel auseinandersetzen. Ich schreibe hier in der Du-Anrede – ich hoffe, dass das OK ist.
      Was ich mit meinem Artikel nicht sagen wollte ist, dass wir alles nehme, essen, anziehen sollen und uns nicht um unsere Vorlieben, Geschmack etc kümmern müssen. Wer auf Dauer Dinge mit innerem Widerstand tut, dem geht es nicht gut und der fühlt sich unwohl. Das will ich nicht erreichen.
      Und doch ist es manchmal gut, seine Vorlieben, den Geschmack und feste Meinungen, was ich mag oder nicht mag zu hinterfragen. Und genau darum ging es mir. Es kann helfen, es einfach mal wieder zu versuchen, ein Experiment zu machen und sich mit etwas zu beschäftigen, was ich eigentlich schon abgeschrieben hatte. Manche Meinung und manche Abneigung ruht nicht unbedingt auf eine wirkliche Ablehnung, sondern auf eine Art Glaubenssatz, eine frühere Erfahrungen etc. Menschliche Entwicklung aber entsteht nur, wenn ich beginne, etwas anders zu machen, wenn ich etwas tue, was ich noch nie getan habe. Verstehst Du? Daher ist es gut, auch die eigenen Vorlieben kritisch zu hinterfragen.
      Doch auch für mich gilt: Ich werde auch nach der Fastenzeit kein Freund von Äpfeln werden – es war und ist aber nicht schlimm sie dennoch zu essen.
      Gruß
      David

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