Was hat ein Hocker mit der Fastenzeit zu tun?

Hocker zählen im Allgemeinen nicht zu den Möbelstücken, denen man besondere Aufmerksamkeit schenkt. Ein Hocker ist einfach da oder eben nicht, er fehlt, es wäre gut, wenn er da wäre, aber was soll man machen, dann nimmt man halt etwas anderes, das die gleiche Funktion übernehmen kann. Auf einem Hocker sitzen müssen, das gilt nach üblicher Meinung nicht als Zeichen ausgesprochener Gastfreundlichkeit. Es ist eher eine Degradierung, ein Stuhl oder gar der feine Sessel im Wohnzimmer wird als entsprechender und ehrerbietiger empfunden. So haben sich auch nicht all zu viele Designer Gedanken darüber gemacht, wie denn ein Hocker aussehen soll.
Der Schweizer Max Bill ist einer der wenigen, die einen Hocker ganz neu gestaltet haben. “Zwei senkrechte Bretter, ein waagerechtes, die drei fest verzahnt, von einem runden Holzstab unten zusammengehalten.” so wird der Hocker beschrieben. Um es ganz anders auszudrücken: An Max Bills Hocker ist nichts dran, was nicht Hocker ist. Es ist eine radikale Reduktion, ganz auf das wesentlichste beschränkt – drei Bretter und eine Verstrebung. In der Tradition des Bauhauses können wir solche Reduktionen überall erkennen und sehen. Das Dekorative wird abgelehnt. Durch die Reduktion soll das Wesentliche zu Tage treten. Das entsprach dem Zeitgeist des Anfangs des letzten Jahrhunderts. In der Philosophie wird in dieser Zeit die Reduktion ganz wichtig und auch in Amerika macht sich ein Walt Whitman in seine Hütte auf, um durch Reduktion die wesentlichen Begriffe des Menschseins zu erkunden.
So fällt auch der Sprung zwischen Hocker und Fastenzeit nicht mehr schwer.
Der Ulmer Hocker ist ein wunderbares Meditationsobjekt für diese Wochen – es geht darum, alles Dekorative abzulehnen, sich stattdessen zu reduzieren, um zu den wesentlichen Begriffen des eigenen Menschseins zurück zu finden – damit auch an mir nichts ist, was nicht Ich bin.

Foto: Christos Vittoratos  – wikipedia.de

Bruder David


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