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Nachdem ich nun fast 40 Jahre im Kloster lebe, frage ich mich, was mir bei all dem, was ich erlebt und gelernt habe, manchmal fehlt. Wenn ich auf die unzähligen Bücher, Vorträge und Predigten zurückblicke, dann bleibt ein Gefühl, das mich nicht loslässt: Das Christentum ist mir zu wenig kosmisch.

Anders gesagt: Es ist mir zu sehr auf den Menschen fixiert. Ja, es gibt das Thema der Schöpfung, und die Bewahrung der Schöpfung ist unbestritten wichtig, wie auch Papst Franziskus betont hat. Aber es geht mir nicht nur darum, ob wir die Schöpfung bewahren. Es geht mir darum, dass die Erlösung oft nur als ein menschliches, nicht als ein kosmisches Geschehen verstanden wird.

Ich finde das Christentum oft sehr kognitiv. Es stützt sich stark auf die Bibel und besteht manchmal aus Interpretationen von Interpretationen, die sich so weit vom ursprünglichen Kern entfernt haben, dass man das pure Leben kaum noch spürt. Wo bleibt die grüne Kraft, die Hildegard von Bingen so anschaulich beschrieben hat? Wo bleibt die Theologie des Waldes, die Sexualität, der Geschmack des Lebens? Wo bleibt die Lebendigkeit, die wir doch jeden Tag in uns und um uns herum erfahren können?

Die göttlichen Perlen im Leben selbst

Wenn ich durch die Straßen gehe, sehe ich in den Gesichtern der Menschen das ganze Spektrum des Lebens: Traurigkeit, Anspannung, Wut, aber auch Freude und Lachen. Das ist Ausdruck des Lebens, und dieses Leben ist nicht einfach nur eine abstrakte Idee. Es ist da, in all seiner Dramatik, seiner Ungeduld, seiner Sehnsucht und seiner Lust.

Es geht nicht darum, das Leben nur zu genießen. Es geht darum, tief in diese Lebendigkeit einzutauchen, in die Wirklichkeit dieses Lebens. Denn nur dort können wir die göttlichen Perlen erkennen, die überall verstreut sind. Wir müssen ernst nehmen, dass wir in einer Beziehung stehen, in einer Interaktion mit allem, was uns umgibt. Blumen wirken auf uns, Planeten wirken auf uns. Es geht hier nicht um Horoskope, sondern um die Erkenntnis, dass wir alle aufeinander wirken.

Oft sehen wir uns als den Nabel der Welt. Sicher, wir haben eine besondere Verantwortung. Aber wir sind vor allem zur Demut und zur Dankbarkeit aufgerufen. Wir sollten diese Welt gemeinsam mit den Tieren, den Pflanzen und allen Menschen gestalten. Jedes Lebewesen hat seine eigene, ganz bestimmte Energie. Wenn du in den Wald gehst, kannst du das spüren. Du wirst natürlich keine hören, aber du kannst eine energetische Zuwendung wahrnehmen, die Bereitschaft, dir etwas zu geben.

Eine gelebte Wahrnehmung der Verbundenheit

Für mich ist es entscheidend, meine persönliche Form des Christentums nicht nur um diese Aspekte zu bereichern, sondern sie dadurch zu transformieren. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer Praxis, die diese kosmische Haltung leibhaftig macht. Theorie allein kann nur andeuten, doch Rituale, Stilleübungen, Körperwahrnehmungen und die bewusste Begegnung mit der Natur können diese verschüttete Dimension wieder zugänglich machen.

Solche Erfahrungen fordern eine Spiritualität, die nicht nur erklärt, sondern öffnet und verwandelt. Es geht mir also auch um eine Ethik des Augenblicks: um die Kunst, in kleinen Handlungen Dankbarkeit zu üben, Achtsamkeit gegenüber dem Atmen der Pflanzen, Demut im Austausch mit anderen Lebewesen. Das kann bedeuten, das Gebet neu zu denken oder das einfache Brotbrechen als einen Akt der kosmischen Verbindung zu verstehen. Nicht als zusätzlichen Brauch, sondern als eine gelebte Wahrnehmung der Verbundenheit, die uns trägt.

So wünsche ich mir ein Christentum, das nicht seine Wurzeln verleugnet, aber seine Zweige weit öffnet. Eines, das die Tiefe der Tradition bewahrt und zugleich die Stimme des Waldes, der Flüsse, der Meere und der Sterne ernst nimmt. Nur so wird die Erfahrung des Göttlichen wieder zu einer Erfahrung des Ganzen – nicht nur des Menschen.

David Damberg


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