Unwillkürlich muss ich bei diesem Satz an eine kleine Begegnung in den Tagen nach Ostern denken. Mit der knapp dreijährigen Josephine bin ich auf den Spielplätzen in unserem Stadtteil unterwegs. Ich gehe ein Stück mit ihr und das ist für uns beide schön. Trotzdem ist ihr wichtigstes Wort an diesem Tag: „alleine“ – „kann ich alleine“. Alles, was sie schon irgendwie alleine kann, will sie auch alleine tun. Ich übe mich bei diesem Spaziergang ein, gut zu entscheiden, wann sie alleine darf und wann ich es wichtig finde, sie an die Hand zu nehmen. Das tue ich zum Beispiel immer dann, wenn wir eine Straße überqueren. Allerdings passierte unterwegs auch das Umgekehrte. Da blieb sie einfach stehen und sagte zu mir: „hoch“. Und jetzt wusste ich: sie wollte getragen werden.Es wird nur noch wenige Jahre dauern, dann wird für sie das „Allein“ das Normale sein. Und vielleicht wächst dann der Wunsch danach, manchmal nicht alleine zu sein, manchmal nicht alleine gehen zu müssen.
Ich denke natürlich auch an meine Arbeit in der Praxis. Menschen kommen mit einem stimmlichen Problem zu mir, üblicherweise kommen sie über mehrere Monate einmal in der Woche für eine Stunde zu mir. Dabei lerne ich viele Alltagssituationen aus der Erzählung kennen, kann Anteil nehmen an Sorgen, Problemen und freudigen Momenten. Ich darf ein Stück Lebensweg mitgehen, manchmal etwas näher, manchmal mit sicherem Abstand.
Auch Jesus, so berichtet uns das Lukasevangelium, geht ein Stück Lebensweg mit. Er wandert mit zwei seiner Jünger nach Emmaus. Die Jünger sind in einer existenziellen Krise, gerade ist der ganze Lebensplan zusammen gestürzt. Da reicht ihnen nicht nur ein gut gemeinter Rat, nicht nur eine präzise Erklärung und Analyse der Situation. Die Jünger brauchen mehr, um aus ihrer Hoffnungslosigkeit herausfinden zu können. Weil er bei Ihnen bleibt und mit ihnen Mahl hält, erkennen die Jünger ihn und finden neuen Mut.
„Ich gehe ein Stück mit Dir.“ Dieses Werk der Barmherzigkeit lebt vom guten Gespür, wie lange man bei dem anderen bleibt, und wann er wieder „alleine“ auf den Weg gehen kann. Wenn ich mit Josephine unterwegs bin, habe ich es leicht: Unmittelbar und freimütig kommen ihr die Worte: „alleine“, „komm mit“ oder „hoch“ über die Lippen, und ich weiß, was sie sich wünscht. Kinder können so wunderbar direkt sein. Aber viel wichtiger wäre es wohl, ich könnte die unausgesprochenen Worte der Erwachsenen verstehen, wenn in ihrem Herzen die Worte aufsteigen: „komm mit“ oder „hoch“ und dann auch wieder „allein“ – und ich wäre im richtigen Moment ein Stück mit ihnen gegangen.
Bruder Karl-Leo Heller
„Komm mit!“, „hoch!“ und „allein!“
Ja, das wäre schön, wenn wir selbst darum immer so ungeschützt bitten und den unausgesprochenen oder ausgesprochenen Wunsch bei anderen verstehen und erfüllen könnten.
Ich glaube diese drei Stichworte werde ich eine Weile mitnehmen. Und eigentlich sind es auch Gebete, finde ich.