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Weitere InformationenHeute ist mir ein kleines Missgeschick passiert. Nichts Weltbewegendes – aber es hat mich berührt. Ich habe Orchideen. Und ich mag meine Orchideen sehr. Ich pflege sie treu, gieße sie zweimal im Monat, versorge sie mit Dünger, spreche mit ihnen, betrachte sie. Ich lobe sie, wenn sie blühen. Ich freue mich an ihrer Schönheit, an ihrer stillen Präsenz auf der Fensterbank.
Und dennoch: Heute ist mir ein kleiner Trieb abgebrochen. Ganz jung war er noch. Ich wollte ihn nur ein wenig an den Stab führen, der ihn halten sollte. Ganz behutsam, dachte ich. Und dann – knack. Ab. Einfach so. Ich habe mich geärgert. Es tut mir leid.
Aber während ich darüber nachdachte, was ich in meinem Podcast als nächstes erzählen könnte, fiel mein Blick immer wieder auf diese verletzte Orchidee. Und ich merkte: Sie hat mir etwas zu sagen. Ich kann von ihr etwas lernen.
Denn was tut diese Pflanze? Sie jammert nicht. Sie wirft mir nichts vor. Sie zieht sich nicht zurück. Nein, sie steht einfach weiter da. Lebendig. Still. Unbeirrt. Vielleicht wächst ein neuer Trieb. Vielleicht nicht. Aber sie gibt nicht auf.
Und das ist es, was mich berührt: Pflanzen geben nicht auf. Selbst wenn sie beschädigt werden. Selbst wenn wir auf sie treten. Selbst wenn wir ihnen etwas wegnehmen. Sie wachsen weiter. Sie tun das, was sie eben tun – leben.
Wie viele Verletzungen erleben Pflanzen – ohne Widerstand, ohne Klage. Und dennoch entwickeln sie sich weiter. Das Gras wächst wieder, auch wenn man es tritt. Der Tomatenstrauch bringt neue Früchte hervor, obwohl wir ihm immer wieder etwas nehmen. Es ist, als hätte das Leben in ihnen eine Kraft, die still und unbeirrbar ist.
Und genau diese Kraft, diese vegetative Weisheit, wie es in der Biologie heißt, ist etwas, das auch in uns lebt. Eine Weisheit, die sich nicht aufgibt, sondern weiterlebt, weiterblüht – auch wenn etwas in uns verletzt wurde, auch wenn uns etwas genommen wurde.
Denn das passiert ja auch uns: Manchmal verlieren wir einen „Trieb“ – ein Projekt, eine Hoffnung, eine Freude, vielleicht sogar ein Stück Gesundheit. Etwas, das wachsen wollte in uns. Etwas, das blühen wollte. Und plötzlich ist es weg. Gebrochen.
Doch was sagt uns die Pflanze? Sie sagt: „Mach weiter.“ Vielleicht wächst etwas Neues. Vielleicht an einer anderen Stelle. Vielleicht langsamer, kleiner, unscheinbarer. Aber das Leben geht weiter – nicht in blinder Optimismus, sondern in stiller Beharrlichkeit.
Wir Menschen denken oft zu viel. Wir zweifeln, grübeln, halten uns selbst zurück. Pflanzen kennen keine Depressionen. Keine Schuldgefühle. Kein Zögern. Sie leben. Sie geben sich ganz dem hin, was sie sind.
Und vielleicht ist genau das gemeint, wenn Jesus sagt: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“ Oder – frei übertragen: Wenn ihr nicht werdet wie die Pflanzen. Wenn ihr nicht zurückfindet zur ursprünglichen, unverstellten Lebendigkeit, zur Weisheit des Lebens selbst, werdet ihr das Himmelreich nicht erkennen.
Ich glaube, wir sind dem Leben verpflichtet. Nicht irgendeinem Ziel, nicht einem Plan, sondern dem Leben selbst – dem Atem, dem Wachsen, dem Blühen, dem Wandel. Und vielleicht liegt darin unser wahrer Auftrag: Lebendigkeit zu spüren. Sie zu bewahren, zu schützen, zu feiern, wann immer es möglich ist.
Vielleicht hilft es uns, uns mit Lebendigem zu umgeben: mit Pflanzen, mit Tieren, mit der Natur. Denn sie erinnern uns an etwas, das wir im Alltag oft vergessen – dass das Leben selbst genügt. Dass es einen inneren Grund hat, immer wieder neu zu beginnen.
Heute hat mich eine Orchidee daran erinnert. Und ich bin ihr dankbar.