Mystiker werden

Und weiter geht es auf dem Weg, Mystiker werden zu können und die eigene mystische Dimension des eigenen Lebens zu entdecken und eben zu leben. Und vergiss nicht: Du bist eine Mystikerin/ein Mystiker auch ohne große Visionen, wenn Du aus dem Geheimnis lebst. Glaube hat recht wenig damit zu tun, bestimmte Dinge für wahr zu halten, sondern damit, dass Du Dein Herz öffnest für das Geheimnis, dass in dieser Welt und besonders in den Menschen verborgen liegt. Wer dieses Geheimnis entdeckt und mit dem spirituellen Herzen erkundet, der ist ein Mystiker oder eine Mystikerin. Dann wird man aber auch unabhängiger und im besten Sinne eigensinniger – was deshalb auch über die Jahrhunderte zu Problemen mit den jeweiligen Autoritäten geführt hat.

Weniger ist mehr

Versuche mit weniger auszukommen. Du musst nicht gleich wie ein Bettler leben, das verlangt niemand von Dir. Aber nimm wahr, wie viel Du wirklich brauchst: wie viel Essen, wie viel Sport, wie viel Gespräche und Geselligkeit, wie viel Kultur und wie viel Alkohol tun Dir gut? Beginne damit, zunächst noch nichts zu ändern, sondern einfach nur wahrzunehmen. Ansonsten besteht die Gefahr, im Eifer des Gefechts zu schnell zu viel zu verändern. Und nichts schadet dem geistlichen Leben mehr als die Versuchung, ein spiritueller Held werden zu wollen. Lass es! Nimm nur wahr und entscheide nach einer Zeit, was Du weniger tun möchtest.

Gib gerne

Jeder Bettler an der Straße schenkt Dir die Möglichkeit, das Geben einzuüben. Was ist schon ein Euro? Natürlich kannst Du sagen, dass er sowieso nur Alkohol davon kauft und das mag auch stimmen. Aber ist das nicht auch eine wunderbare Ausrede, nichts geben zu müssen? Deshalb: Übe Dich in das Geben ein, schenke gerne und überrasche die Menschen, ohne sie zu beschämen.

Beginne zu malen

Das meine ich wörtlich und im übertragenen Sinne. Es meint einfach: gib Deiner Kreativität einen Raum. Das kann natürlich malen sein, muss es aber nicht. Wo immer Deine Schöpferkraft sich gerne ausbreitet, dort gib ihr den Raum, den sie braucht. Schöpferisch zu werden ist etwas wunderbares und verbindet uns mit der schöpferischen Kraft Gottes. Schreibe, male, gestalte, pflanze, gärtnere, stricke, häkle oder was auch immer: werde Gestalterin und Gestalter dieser Welt und nimm Teil an der schöpferischen Kraft Gottes. Sich selbst ausdrücken zu können ist ein Zeichen von psychischer Gesundheit.

Greif nach den Sternen

Ein Psychotherapeut, der mit Freud zusammen arbeitete, hat einmal gemeint: die Zunahme von Depressionen hängt eng damit zusammen, dass wir die kosmische Dimension verloren haben. Er meinte damit, dass uns eine Kosmologie fehlt. Dabei geht es um den Ursprung, die Struktur und die grundlegende Entwicklung dieser Welt. Viele Weisheitstraditionen haben sich dazu Gedanken gemacht – sie sind uns größtenteils verloren gegangen. Es ist aber sehr bereichernd, sich mit den Sternen, dem Urknall, der Quantenphysik und all diesen Themen auseinander zu setzen. Du wirst das Staunen wieder lernen und Dich eingewoben fühlen in ein großes geheimnisvolles Ganzes. Lies etwas dazu, schau Dich im Internet um, beschäftige Dich mit Themen, die vielleicht nicht in einem Dogmatiklehrbuch stehen würden. Schau in den Himmel, bestaune die Sterne…schon Platon hat sich mit seiner Theorie der Geometrischen Formen damit auseinandergesetzt. Es gibt so viel zu entdecken!

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Bruder David


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Kommentare

  • Hallo lieber Bruder David,
    und wieder schreibst Du gute Worte zum Thema Mystik.
    Ja, es steht wieder viel bedenkenswertes drin.
    Zwei Gedanken haben mich besonders bewegt:
    Zum einen, dass wir der Versuchung widerstehen sollen, spirituelle Helden sein zu wollen.
    Gut, dass Du das Wort Versuchung verwendest.
    Leider haben die christlichen Kirchen und auch andere Religionen viel zu oft und einseitig von den irdischen, weltlichen, körperlichen Versuchungen gesprochen.
    Und sie haben damit viel zu oft mit einer lebensfeindlichen Moral die Menschen verurteilt.
    Viel zu selten wird von den spirituellen Versuchungen gesprochen.
    Wie schnell leben wir am einfachen Menschsein vorbei, wenn wir irgendwelchen mystischen, sprirituellen Aufstiegsgedanken Raum geben.
    Richard Rohr sagt dazu sehr schön: es geht auf dem christlichen WEG um Abstieg nicht um Aufstieg. Abstieg in ein einfaches, liebevolles, vertrauensvolles Menschsein.
    So wie Christus von seiner Gottheit abgestiegen ist in das ganz normale alltägliche Menschsein.
    Der andere Gedanke, der mir nahe gekommen ist in Deinem Text, ist das Staunen.
    Wie befreiend ist es, wenn man wieder wie ein kleines Kind staunen kann: über einen Sonnenaufgang, über den Sternenhimmel, über eine Melodie, über ein Lächeln, über all das, was Leben so lebenswert macht. Und dazu gehört wohl eher nicht eine komplizierte Dogmatik. Da kann man oft eher auf andere Weise staunen, darüber, wie man sich mit komplizierten Theorien vom einfachen gelebten Leben, vom einfachen Sein entfernen kann.
    Herzliche Grüße nach Hannover.
    pace e bene von
    michael
    🙂

    • Wenn über Spiritualität gesprochen wird, wird oft eine psychologische Sprache verwendet. man spricht dann vom Selbst und vom Ego, dass man überwinden muss und das sterben soll. Erstaunlich oft wird eine gewaltbereite Sprache gewählt, wenn es um das Ego geht. Gewiss ist das, was man Ego bezeichnet begrenzt und nicht der richtige Ort für den Glauben. Aber mir ist es wichtig, das Ego zu rehabilitieren. Und das heißt, dass es nicht darum gehen kann es zu vernichten, auszulöschen oder zu töten, sondern es in seiner wichtigen Funktion zu sehen und wert zu schätzen.
      Ganz unabhängig davon stimmt es natürlich, dass wir nicht mit dem Ego glauben sollten oder lieben oder genießen. Ich kenne nur ein Buch und einen Autor, der das Ego sehr wert schätzt ohne das Selbst zu vernachlässigen. Ist es das, was Du unter anderem meintest, als Du von Versuchungen und auch von lebensfeindlicher Moral sprachst? LG David

      • …na ja, nicht ganz.
        Oder, sowohl als auch (ganz ignatianisch gesagt).
        Es ging mir um die Einseitigkeit von geistlich orientierten Menschen in den verschiedenen religiösen, spirituellen, philosophischen Traditionen (und in meiner eigenen Biografie vor allem ).
        Menschen, die von der Faszination des Geistes gepackt werden, sehen in den irdischen, sinnlichen, erotischen Erfahrungen schnell niedere Versuchungen, die es zu überwinden gilt. Dann versuchen sie eher einseitig geistlich zu leben und verfolgen einen spirituellen Aufstieg am Menschsein vorbei.
        Die Inkarnation Gottes als Mensch im Mann Jesus von Nazareth wertschätzt aber ganz klar auch die körperliche sinnliche Dimension des Menschen.
        So wie wir im körperlich sexuellen Bereich natürlich durchaus an einem gesunden Menschsein vorbeileben können, so kann das eben wie ich denke auch in spiritueller Hinsicht passieren, wenn wir den einseitig geistlichen Versuchungen erliegen.
        Zu Deinen Gedankan zum Ego oder zum Selbst:
        Vieles klingt da wirklich sehr brutal. Da geht es um das Töten des Ego, gerade auch bei den Mystikern oder buddhistischen Meistern.
        Ich übersetze für mich persönlich das Töten immer mit Loslassen, dann erkenne ich für mich dann eher den Sinn, um den es für mich geht.
        Man kann sich ja sehr viele komplizierte Gedanken über das machen, was man mit Ego, mit dem Selbst oder mit der Person oder Personalität des Menschen meint oder meinen könnte. Da kommt man an kein richtiges Ende, weil es doch irgendwie das innerste Geheimnis des Menschen betrifft.
        Mir hilft es dabei immer, wenn ich mich danach befrage, welches Verhalten meiner selbst, meiner Person etc. lebensfreundlich ist und welches nicht.
        Wenn sich alles, auch im religiösen Leben, nur um mich dreht, also um mein Ego, mein Selbst, wenn meine Person im Mittelpunkt steht, mein Vorwärtskommen, mein Wohl, mein spiritueller Weg, dann ist das sicher nicht im Sinne des Schöpfers. Solches Ego-zentriertes Verhalten gilt es zu „töten“, loszulassen, zu durchschauen.
        Wenn ich aber, wenn mein Ego aus meiner Mitte heraus einfach gut für andere sorgen möchte, hilfreich für andere da ist, wenn ich also ein lebensförderliches Verhalten lebe , es zumindest versuche, wenn das Ego liebevoll auf andere Menschen und auf Gott ausgerichtet ist, dann ist es für mich gut…

        Herzliche Grüße nach Hannover von
        michael

        • Ich kann mir halt nicht vorstellen, dass eine Sprache, wie sie nicht selten zu lesen ist, die vom Abtöten, Vernichten etc spricht eine gute Wirkung auf mich hat. Wenn ich mich schlecht fühle, wenn ich Angst spüre oder Gekränktsein, dann sage ich mir selbst: Ich will diesem Gefühl in mir ein gutes und schönes Zuhause schaffen. Es soll es gut in mir haben. So versuche ich es zu bergen und ich spüre, dass es dann nicht mehr so groß ist. Und so versuche ich es auch mit den Dingen, die wir Ego nennen. Es sind doch alles irgendwie nur Versuche besser dazustehen und größer usw.
          Wie kann ich in diese Welt etwas mehr Frieden bringen, wenn ich zugleich in mir Krieg führe – auch wenn es gegen das Ego ist.

          Ich wünsche Dir einen schönen Abend und einen wunderbaren Martinstag morgen. Liebe Grüße nach Berlin, David

  • hallo, und wieder danke für die guten Impulse…
    gerade auch der Gedanke, wie gut es tun kann, zu entschlacken , also weniger zu haben, und damit wesentlicher zu werden irgendwie,
    auch wenn das heutzutage eher entgegen der offiziellen Meinung steht, da man ja „immer noch unbedingt dies und das und jenes haben sollte“
    Ich habe dies ,anfangs eher unbewusst ,in Zeiten der inneren Unordnung als sehr befreiend empfunden, äußerlich aus zu sortieren, Raum zu schaffen- der dann irgendwie auch innerlich neu entstand , eine innere Ruhe sich Raum schaffen konnte bzw. Freiheit, anders kann ich es nicht beschreiben,
    ich weiß nur , dass am Anfang immer die Sehnsucht nach Einfachheit und Klarheit steht in solchen Zeiten, und -wie Du schon sagst, eher nicht der Wille trägt : ab jetzt muss alles besser werden 🙂 ( das funktioniert auch nicht bei mir)
    Es ist ein Geschenk, und die besten Geschenke kommen unverhofft, und man lernt sich wieder ein Stück besser kennen, das heißt für mich auch, barmherziger werden mit mir (klingt vielleicht altmodisch, aber ich finde kein besseres Wort dafür grade..)weil Gott es auch mit mir ist auf all meinen komischen Irrwegen und Umwegen…
    Barmherzigkeit und Humor sind für mich oft ganz ganz wertvolle Wegbereiter…!
    liebe Grüße aus Sachsen,
    Astrid

    • Ich glaube, dass es ganz wichtig ist für den inneren Frieden zu sorgen und dazu gehört auch Barmherzig sein mit sich. Wir haben alle Fehler und jeder geht irgendwann einmal einen krummen Weg – vielleicht tun wir manchmal auch etwas, was andere tief verletzt: das Leben ist eine gute Schule. Und ich möchte noch das Wort Demut anführen. Wer wach für das Leben und für seinen weg wird, der wird auch demütig werden. Vielleicht ist es so: wer Barmherzigkeit empfängt wird demütig.
      Ist ja interessant, dass Du auf dieses Thema kommst – im Dezember beginnt ja das Jahr der Barmherzigkeit.
      Humor finde ich ebenfalls wichtig, es schafft Distanz zur Realität. Wenn wir bedrückt sind oder Probleme haben, dann sind wir den Dingen oft viel zu nah. Mit Humor schaffen wir uns Abstand. Es gibt doch auch Lach-Yoga, oder? Kennst Du das?
      LG Bruder DEavid

  • hallo,
    nein, Lach-Yoga kenn ich nicht..aber wir lachen auch manchmal:-)

    Vorhin kamen mir nochmal Gedanken zum Thema…Mystik.
    Ich erlebe manchmal plötzlich mitten z.b. auch in schönen , oder geschäftigen Momenten, oder an Tagen mit viel Trubel mit Menschen usw. eine Sehnsucht, mich zurück zu ziehen, nach Stille…. das ist manchmal sehr stark, und für mich verbindet sich das auch oft mit der Sehnsucht, mit Gott zu reden… mit oder ohne Worte, oder einfach nur mit Ihm zu sein
    Früher hatte ich mal von einem Pastor vor einer Predigt oft die Bitte gehört:“ zieh mich oh Vater zu dem Sohn, auf das dein Sohn mich wieder zieht zu dir..“ Und ich habe seit einer Weile eine kleine Ikone , die ich sehr mag, von Rubeljev, die Heilige Dreifaltigkeit, und das erlebe ich auch ähnlich, dass ich mit hinein genommen werde, in diese Beziehung, einer zum Anderen.. so genau kann ich es manchmal nicht ausdrücken.
    Es hat was mit Geborgenheit zu tun…
    Liebe Grüße,
    Astrid

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