Gut und schön berührt

Ein Handschlag, eine flüchtige oder leichte Umarmung, sie gehören zu unseren Begrüßungsritualen, die wir oft mit vielen Menschen austauschen. Jeder weiß, wie es geht, und so macht man es dann auch. Manchmal ist die Geste aber doch ziemlich festgelegt. Da denke ich beispielsweise an den Friedensgruß in unserer Abtei. Ich erinnere mich an mein erstes Jahr im Kloster, als wir den Friedensgruß „geübt“ haben – um ihm wirklich die Form zu geben, wie es in unserem Kloster üblich sein soll. Der Kopf nach rechts, beide Arme berühren die Arme meines Gegenübers, Annäherung bis zur leichte Berührung des Brustkorbs. Ein bisschen Nähe und eben doch nicht zu viel Nähe. Treffe ich mich mit Kollegen aus meiner Berufsgruppe als Stimmtherapeut, nehmen wir uns auch üblicherweise  „ein bisschen in den Arm“, und doch ist die Art der Berührung irgendwie ganz anders – ohne dass ich die eine oder andere Form als besser oder herzlicher beschreiben wollte.

Meine Freunde erkenne ich in der Berührung

So viele Facetten gibt es in unseren Begrüßungsritualen: Freunde, die ich kenne, erkenne ich auch am Druck der Hände oder an der Art der Berührung in der Umarmung. Ich würde sie bei geschlossenen Augen und zu gehaltener Nase erkennen. Und – jenseits von starken emotionalen Gefühlen für bestimmte Personen – entsteht dabei in mir auch etwas „wie eine Bewertung“. Es gibt angenehmere Berührungen im Händedruck und auch in der Umarmung – oft unabhängig von der Frage, wie gerne ich den Menschen mag. Es gibt Menschen, die mich angenehm berühren können. In unserer Sprache ist ein solcher Satz sofort doppeldeutig. Er könnte gesagt sein von einer tatsächlichen, taktilen Berührung, er könnte aber auch gesagt sein über eine Begegnung, die mich innerlich angerührt hat, ohne dass sich unsere Körper taktil berührt haben.

Was macht eine Berührung gut und angenehm

Tatsächlich werde ich sofort aufmerksamer und fühle mich selber wohl, wenn mich ein Mensch angenehm berührt. Meine Körper, zumindest aber die Stellen im Körper, die da so liebevoll berührt worden sind, wandeln sich in eine Wohlspannung. Aber was spüren wir da?

Je ähnlicher der Muskeltonus ist zwischen mir und dem Menschen, den ich berühre und von dem ich berührt werde, umso angenehmer ist der erste Augenblick der Berührung. Es beginnt ein Austausch und ein Wechselspiel dieser Energiezustände. Ganz intuitiv spüren ich durch alle Berührung die Intention. Es gibt Menschen, die berühren mich so, dass in allerkürzester Zeit diese Spannungsunterschiede ausgleichen sind. Das ist immer dann der Fall, wenn sich jemand mir „zugewendet“ hat. Dann hat er seinen Gefühlsraum, seine Wahrnehmung ausgeweitet über seinen Körper hinaus hin zu meinem Körper. Die Haut ist nicht Grenze, sie ist Begegnungsort geworden.

Einfühlsames „Über-sich-hinaus-Spüren“

Diese Fähigkeit zur Hinwendung nimmt man bei sich selber oft nicht wahr, bei anderen Menschen spürt man sie sofort. Diese Hinwendung bewirkt eine Muskelelastizität, die wir in besonderer Weise erleben, wenn wir Babys auf dem Arm haben und sich bei uns wohl fühlen. Dieses „sich-Zuwenden“ wird zu einem „Über-sich-hinaus-Spüren“. Wieder sind die Worte in unserer Sprache sehr treffend: Wir sprechen von einem „einfühlsamen Menschen“. Wenn es draußen kälter wird und sich die Muskulatur zusammenzieht, dann tut diese Gegenbewegung gut.

Ich wünsche Euch viel Freude beim „Über-Euch-hinaus-Spüren“. Manchmal kann man sich natürlich darüber unterhalten, wann und wie Berührung angenehm ist. Aber eigentlich ist es viel schöner, es wirklich auszuprobieren und sich einfach leiten zu lassen von der wohligen Veränderung der Muskulatur des Menschen, den ich da gerade berühre.

Bruder Karl-Leo


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Kommentare

  • Lieber Karl-Leo,
    angenehme Berührungen, berühren, ohne zu berühren, da strahlt Wärme aus, angenehm spürbare Wärme (das passt auch zum gleichen Muskeltonus) und Wärme im übertragenen Sinn: Herzenswärme. Es ist wunderbar wohltuend, gerade an einem so nassen und trüben Novembertag (wie diesem Dienstag) über ein so berührendes Thema nachzudenken. Danke für Deine Gedanken.

    • Liebe Renate,
      Danke Dir für die Rückmeldung – ach wie schön wäre es, wenn schöne Gedanken dieses trübe Wetter sogar ganz vertreiben könnten…

  • Lieber Karl-Leo,
    danke für deine Gedanken zum Thema Berührung. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen sich Menschen, die sich gut kannten, nur die Hand gaben und sich nicht umarmt haben. Erst seit einigen Jahren wird mehr umarmt. Einerseits finde ich das schön. Aber auf der anderen Seite finde ich dieses ständige umarmen auch inflationär, weil es oft eine Nähe vorspielt, die es gar nicht gibt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen, die mich automatisch umarmen, eigentlich überhaupt nicht dafür interessieren wie es mir geht. Dann möchte ich nicht als zickig oder prüde dastehen und mache mit. Aber wohl fühle ich mich dabei nicht… LG Hildegard

    • Liebe Hildegard, Danke Dir für Deine Rückmeldung. Deine Beobachtung passt gut zu meiner Erfahrung: jedes Zeichen der Berührung, egal ob Handschlag oder Umarmung, braucht für seine Stimmigkeit die Bereitschaft, sich wirklich für den „berührten“ Menschen zu interessieren – sonst ist diese Berührung nicht wirklich angenehm… LG Karl-Leo

  • Hallo lieber Bruder Karl-Leo,

    ich finde eine Umarmung von Menschen die ich mag sehr angenehm, da es Nähe und Verbundenheit ausdrückt und man sich Geborgen fühlt.

    Eine schöne Adventszeit

    LG Conni

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